Leitsatz
Veräußert der Erbe den einzigen werthaltigen Gegenstand, eine Immobilie, aus dem Nachlass, so ist wegen der Pflichtteilsforderungen der leiblichen Abkömmlinge der dingliche Arrest in das Vermögen der Erbin anzuordnen und in Vollziehung des Arrests die Forderung der Erbin gegen den Käufer der Immobilie zu pfänden.
Landgericht München II, Urteil vom 16. Februar 2018 – 14 O 446/18
Sachverhalt
Die drei Antragsteller sind die leiblichen Kinder des am 24.11.2016 verstorbenen Erblassers. Zum Zeitpunkt seines Todes war der Erblasser in zweiter Ehe in Gütertrennung verheiratet. In seinem handschriftlichen Testament setzte der Erblasser seine Stieftochter, die Antragsgegnerin, zur Alleinerbin ein.
Aufgrund der Alleinerbenstellung wurde die Antragsgegnerin als Alleineigentümerin des Grundstücks ... eingetragen. Dieses Grundstück stellt den wesentlichen Vermögenswert des Nachlasses dar. Mit notariellem Kaufvertrag vom 27.12.2017 verkaufte die Antragsgegnerin das Grundstück für 284.000 EUR. Dieser Kaufpreis ist gemäß Ziffer II.2.b) des Kaufvertrages fällig frühestens eine Woche nachdem die Antragsgegnerin das Kaufobjekt vertragsgemäß geräumt hat. Die Antragsgegnerin verpflichtete sich gemäß Ziffer IV.1.a) des Kaufvertrages zu einer Räumung bis spätestens 1. März 2018. (...). Vor dem Landgericht München II musste mittels einer eigenen Klage durch die Pflichtteilsberechtigten die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses geltend gemacht werden.
Mit Antrag vom 1.2.2018 beantragten die Antragsteller:
Wegen Pflichtteilsforderungen iHv 106.500 EUR nebst einer Kostenpauschale von 10.000 EUR wird der dingliche Arrest in das Vermögen der Antragsgegnerin angeordnet.
Die Vollziehung des Arrests wird bei Hinterlegung durch die Antragsgegnerin von 116.500 EUR gehemmt.
In Vollziehung des Arrests wird bis zu einem Höchstbetrag von 116.500 EUR gepfändet die Forderung der Antragsgegnerin auf Zahlung des Kaufpreises gegen (...)
Dem Drittschuldner wird verboten, den Höchstbetrag an die Antragsgegnerin zu leisten.
Der Antragsgegnerin wird geboten, sich jeder Verfügung über die gepfändete Forderung zu enthalten.
Aus den Gründen
Der zulässige Antrag ist begründet. Es liegen sowohl Arrestanspruch als auch Arrestgrund vor.
I. 1. a) Der Arrestanspruch (§ 916 ZPO) folgt für sämtliche Antragsteller aus § 2303 Abs. 1 BGB. Die Antragsteller sind sämtlich Abkömmlinge des Erblassers, die durch das Testament vom 5.7.1997 von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. (...)
b) Hinsichtlich der Höhe des Pflichtteilsanspruchs geht das Gericht – wie die Antragsteller – von einem Nachlasswert iHv mindestens 284.000 EUR aus. Nachlassschulden wurden von der Antragsgegnerin nicht geltend gemacht.
Gemäß § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB besteht der Pflichtteil in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, für die Antragsteller also gemäß den §§ 1924, 1931 Abs. 1 BGB (Anm. der Verfasser: Gütertrennung!) in jeweils 1/8 und damit jeweils in einem Betrag von 35.500 EUR.
c) Der Arrestanspruch umfasst auch die voraussichtlichen Kosten, die durch die streitige Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche sowie durch das Arrestverfahren entstehen werden bzw. entstanden sind. Die von den Antragstellern insoweit geschätzten 10.000 EUR sind aus Sicht des Gerichts angemessen.
2. Der Arrestgrund (§917 ZPO) folgt aus der Tatsache, dass das verkaufte Grundstück den wesentlichen Nachlasswert ausmacht. Eine rechtswidrige oder anderweit in der Absicht erfolgte Handlung der Antragsgegnerin, durch die Veräußerung der Immobilie die Zugriffsmöglichkeit für die Pflichtteilsberechtigten zu erschweren, ist für die vom Gesetz geforderte Besorgnis der Vollstreckungserschwerung nicht erforderlich. Ausreichend ist allein die objektive Gefährdung der Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs. Für diese objektive Gefährdung ist es ausreichend, dass der Pflichtteilsberechtigte auf Barvermögen aufgrund dessen Flüchtigkeit schwerer zugreifen kann als auf Immobiliarvermögen, sogar wenn der Verpflichtete die Veräußerung des wesentlichen Vermögensgegenstandes nur beabsichtigt (siehe OLG München, Beschluss vom 30.5.2006, 12 UF 1118/06, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.10.1996, 2 UF 140/96, juris). Vorliegend ist die Veräußerung bereits erfolgt und die Fälligkeit des Kaufpreises steht nach den Vertragsbedingungen kurz bevor.
Ob bis dahin das Nachlassverzeichnis des Notars (Anm. der Verfasser: zu dem sich die Antragsgegnerin im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren verpflichtet hatte) fertiggestellt ist, ist unklar. Selbiges gilt für die Antwort auf die Frage, ob die Antragsgegnerin nach Fertigstellung des Nachlassverzeichnisses unmittelbar die Ansprüche der hiesigen Antragsteller befriedigt, nachdem die Beauftragung eines Notars mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses trotz der klaren gesetzlichen Reglung in § 2314 BGB noch nach den Anwaltsschreiben vom (...) erfolgte und eingeklagt werden musste.
Anmerkung
Häufig sieht sich der Erbe gezwungen Nachlassimmobilien zu veräußern, um Pflichtteilsansprüche zu bedienen. Dies ist gängige Praxis und oft eine Notwendig...