Von der Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung infolge Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) darf nur in schwerwiegenden Ausnahmefällen ausgegangen werden. Sittenwidrig ist eine letztwillige Verfügung dann, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Nahezu alle Gestaltungsansätze im Rahmen von Behindertentestamenten gehen mit Nachteilen für den Sozialleistungsträger einher. Immerhin muss die Allgemeinheit mit staatlichen Leistungen für einen sonst eigentlich liquiden Erben oder Vermächtnisnehmer aufkommen. Das widerspricht an sich dem sozialrechtlichen Nachrangprinzip (§ 2 SGB XII), wonach staatliche Leistungen erst dann gewährt werden, wenn der Hilfesuchende nicht selbst in der Lage ist, für seinen notwendigen Lebensunterhalt zu sorgen. Gerade bei hohen oder sehr hohen Nachlässen erscheint es zunächst nicht hinnehmbar, dass der Behinderte mit staatlichen Mitteln unterstützt werden muss, obwohl sowohl seine Grundversorgung als auch zusätzliche Sonderzuwendungen für besondere Annehmlichkeiten aus dem Nachlass bestritten werden können.
Der BGH hat die Frage in mehreren Entscheidungen negativ entschieden: Behindertentestamente sind nicht sittenwidrig. Ihre Gestaltung liegt vielmehr im wohlverstandenen Interesse des Erblassers zur Verbesserung der Lebensstellung des behinderten Angehörigen und ist Ausfluss der in Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Testierfreiheit. Nachteile für den Sozialleistungsträger sind als bloße Reflexe der Gestaltung hinzunehmen.
Die Rechtslage erscheint eindeutig. Bemerkenswert ist allerdings, dass den Entscheidungen des BGH allesamt Sachverhalte zugrunde lagen, bei denen ein Behindertentestament in Form der Vor- und Nacherbenvariante geprüft wurde. Zu den anderen auch in diesem Aufsatz angesprochenen Modellen gibt es bislang keine Entscheidung des höchsten deutschen Zivilgerichts. Interessant ist auch, dass sich die Nachlässe, bei denen es in den vom BGH entschiedenen Fällen ging, in einem maximal eher mittleren Vermögensbereich bewegten. Wie bei einem sehr hohen Erwerb von Todes wegen verfahren werden soll und ob hier das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nicht etwa doch ein die Grenze zu § 138 Abs. 1 BGB überschreitendes Störgefühl entwickelt, bleibt abzuwarten. Selbst wenn, dann dürfte die Wertbemessungsgrenze hin zur Sittenwidrigkeit wie auch der Zeitpunkt der Bewertung – Errichtung der letztwilligen Verfügung oder Erbfall? – allerdings schwierig zu ziehen sein. Im Zweifel können salvatorische Regelungen in der letztwilligen Verfügung zu einer Risikominimierung beitragen.