Gerade in strukturstarken Regionen mit prognostisch hohen Nachlässen steigt das Bedürfnis der Erblasser nach einer steueroptimierten Vermögensnachfolgeplanung. Soll diese im Rahmen eines Behindertentestaments umgesetzt werden, kollidiert das Interesse nach einem Vermögensschutz vor dem Zugriff des Sozialleistungsträgers regelmäßig mit erbschaftsteuerlichen Erwägungen. Das in anderen Fällen ohne behinderte Kinder sonst beliebte Steuervermächtnis im Rahmen eines Berliner Testaments scheitert jedenfalls in einer nicht angepassten Variante daran, dass die Gefahr einer Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 BGB entsprechend wächst, wenn die zugunsten der Abkömmlinge angeordneten Steuervermächtnisse den Nachlass auszuhöhlen drohen. Alternative Gestaltungen lassen die nicht behinderten Kinder (maximal in Höhe ihrer gesetzlichen Erbteile) direkt als Erben neben dem länger lebenden Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner und dem behinderten Kind am Nachlass des Erstverstorbenen partizipieren. Das ist zwar sozialrechtlich unbedenklich, aber gleichzeitig zivil- und auch erbschaftsteuerrechtlich starr. Schließlich lässt sich die Höhe der Zuwendungen aus dem Nachlass in diesen Fällen nicht steueroptimiert gestalten und ist vielmehr dem Zufall, nämlich der Vermögenszusammensetzung zum Zeitpunkt des Erbfalls, überlassen. Zivilrechtlich werden die Abwicklungsschwierigkeiten bei einer Erbauseinandersetzung zudem für den länger lebenden Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner weiter erschwert, weil die Anzahl der Miterben steigt. Auch fixe Vermächtnisse zugunsten der Kinder helfen erbschaftsteuerrechtlich nicht, da ihnen gerade die Eleganz der flexiblen inhaltlichen Ausgestaltung auch der Höhe nach fehlt.
Dieses Dilemma erfordert eine Anpassung der Steuervermächtnisanordnung. Beachtet werden muss, dass der Erwerb von Todes wegen des Behinderten keinesfalls unter die Grenze des Gesamtwertpflichtteils rutschen darf bzw. idealerweise (geringfügig) über ihr liegen sollte.
Das Steuervermächtnis kann dabei entweder aus dem Gesamtnachlass beglichen werden oder aber nur aus dem Erwerb von Todes wegen des länger lebenden Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners. Die letztgenannte Variante ist dabei insofern sozialrechtlich unkritisch, als dass der Erwerb von Todes wegen des Behinderten in keinem Fall tangiert wird. Faktisch wird eine Entscheidung aber von der Gesamtnachlasshöhe abhängen. Immerhin muss der länger lebende Ehegatte/eingetragene Lebenspartner die wirtschaftliche Belastung mit seinem Erwerb von Todes wegen sonst alleine schultern.
Die Verfasserin hat hierzu zwei Formulierungsvorschläge entwickelt.
Modifiziertes Steuervermächtnis (Gesamtnachlass):
"Unsere Kinder mit Ausnahme unseres behinderten Kindes erhalten jeweils ein Zweckvermächtnis (§ 2156 BGB). Der Zweck des Vermächtnisses liegt in der optimalen Ausreizung der Erbschaftsteuerfreibeträge. Das Vermächtnis ist aus dem Gesamtnachlass zu begleichen und in doppelter Hinsicht limitiert: Zum einen soll die Höhe der zum Erbfall offenen Erbschaftsteuerfreibeträge der Kinder nicht überschritten werden. Zum anderen dürfen die Vermächtnisse insgesamt die Grenze des Gesamtwertpflichtteils unseres behinderten Kindes zuzüglich ___ % nicht überschreiten. (…)."
Modifiziertes Steuervermächtnis (Teilnachlass):
"Unsere Kinder mit Ausnahme unseres behinderten Kindes erhalten jeweils ein Zweckvermächtnis (§ 2156 BGB). Der Zweck des Vermächtnisses liegt in der optimalen Ausreizung der Erbschaftsteuerfreibeträge. Das Vermächtnis ist ausschließlich aus dem Erbteil des länger lebenden Ehegatten zu begleichen und soll die Höhe der zum Erbfall offenen Erbschaftsteuerfreibeträge der Kinder nicht überschreiten. (…)."
Mit Hilfe der vorstehenden Formulierungsvorschläge kann dem Erblasserinteresse nach sozialrechtlichem Schutz neben einer Steueroptimierung der Vermögensnachfolge entsprochen werden.