M.E. sollte überlegt werden, die Rechtsfolgen anzugleichen. Für die Fälle des § 2306 BGB würde das bedeuten, dem i.S.d. Vorschrift belasteten Ehepartner ein doppeltes Wahlrecht einzuräumen. Zunächst kann er, und das entspricht der ganz h.M., entscheiden, ob er die in § 2306 BGB aufgeführten Belastungen akzeptiert oder sich von ihnen durch Ausschlagung befreit. Im Anschluss ist ihm das weitere Wahlrecht einzuräumen mit der h.M. nach § 1371 Abs. 2 BGB den Ausgleich des effektiven Zugewinns und den kleinen Pflichtteil zu verlangen oder aber – ohne Ausgleich des effektiven Zugewinns – den nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten Pflichtteil geltend zu machen. Hierfür sprechen nach meiner Auffassung folgende Aspekte:
1. § 1371 Abs. 3 BGB
Der überlebende Ehegatte kann nach dieser Regelung unabhängig von §§ 2306, 2307 BGB den Pflichtteil verlangen und zwar auch gerade dann, wenn ihm dieses Recht nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustünde. Als erbrechtliche Bestimmung eröffnet § 2306 BGB aber gerade diese Möglichkeit und ordnet als Rechtsfolge der Ausschlagung an, dass der Ausschlagende den Pflichtteil verlangen kann.
Eine Reduzierung der in § 1371 Abs. 1 BGB genannten Bemessungsgrundlage ergibt sich aus § 2306 BGB nicht.
2. § 1371 Abs. 2 BGB
a) Erbeinsetzung
Die h.M. macht geltend, dass es dem Erblasser unbenommen sein muss, den überlebenden Ehegatten durch Enterbung auf den güterrechtlichen Ausgleich festzulegen. Diese Situation ist aber in den Fällen des § 2306 BGB gerade nicht gegeben. Der testierende Ehepartner hat in den Fällen des § 2306 Abs. 1 BGB den Überlebenden zum Erben eingesetzt. Damit stellt sich die Frage inwieweit § 1371 Abs. 2 BGB einschlägig ist. Die Ausschlagung wirkt zwar zurück, nach der in § 1953 Abs. 1 BGB gewählten Wortwahl "so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt" handelt es sich dabei aber um eine Fiktion. Der überlebende Ehegatte ist damit – zunächst – Erbe geworden, mit der Konsequenz, dass § 1371 Abs. 2 BGB erst im Nachhinein greift.
b) Qualifikationen
Die Beschränkung der Rechtsfolgen für den ausschlagenden Ehegatten auf § 1371 Abs. 2 BGB wird mit der güterrechtlichen Funktion von § 1371 Abs. 1 BGB in dem Sinne begründet, dass die vorgesehene Erhöhung des Ehegattenerbrechts zur Disposition der Parteien steht. Beiden Ehegatten muss es gleichermaßen freistehen die erbrechtliche Lösung, die den Anspruch auf den großen Pflichtteil beinhaltet, auszuschließen. Durch die Erbeinsetzung i.S.v. § 2306 BGB hat der Erblasser dies aber gerade nicht gewollt.
Zeitlich nach dem ausführlichen Beschluss des BGH vom 13.5.2015 zur güterrechtlichen Qualifikation des pauschalen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 1 BGB hat der EuGH am 1.3.2018 entschieden, dass § 1371 Abs. 1 BGB erbrechtlich zu qualifizieren ist.
Dabei wird nicht verkannt, dass diese Entscheidung des EuGH, zumindest primär, die Funktionsfähigkeit des europäischen Nachlasszeugnisses betraf; sie hat aber auch materielle Bedeutung. So führte der EuGH zu § 1371 Abs. 1 BGB aus:
Zitat
"Unter diesen Umständen scheint der Hauptzweck der Bestimmung nicht in der Aufteilung des Vermögens oder in der Beendigung des ehelichen Güterstandes, sondern vielmehr in der Bestimmung des dem überlebenden Ehegatten im Verhältnis zu den übrigen Erben zufallenden Erbteils zu liegen. Eine solche Vorschrift betrifft daher in erster Linie die Rechtsnachfolge nach dem Tod eines Ehegatten und nicht das eheliche Güterrecht."
Jedenfalls aus Sicht des europäischen Rechts ergibt sich damit die erbrechtliche Qualifikation von § 1371 Abs. 1 BGB; die Begründung der h.M. mit der güterrechtlichen Qualifikation sollte daher überdacht werden.
Denn nach Auffassung des EuGH bestimmt § 1371 Abs. 1 BGB die gesetzliche Erbquote des überlebenden Ehegatten, woraus sich für diesen in den Fällen des § 2306 Abs. 1 BGB m.E. das zusätzliche Wahlrecht ergibt, entweder nach § 1371 Abs. 2 BGB vorzugehen oder den großen Pflichtteil nach § 1371 Abs. 1 BGB zu verlangen.