Leitsatz (amtlich)
Ein zur Anfechtung berechtigender beachtlicher, weil zum Inhalt des Rechtsgeschäfts zu rechnender Irrtum ist nur dann anzunehmen, wenn der Erklärende infolge eines Rechtsirrtums von dem vorgenommenen konkreten Rechtsgeschäft selbst andere Hauptwirkungen erwartet hat, als eintreten mussten. Die Abgrenzung zwischen den gewollten wesentlichen Hauptwirkungen und den nicht gewollten mittelbaren Nebenfolgen eines Rechtsgeschäfts hängt jeweils von einer Interessenabwägung zwischen den Erklärungsbeteiligten im Einzelfall ab. Der Senat bejaht vorliegend eine beachtliche zur Anfechtung berechtigende Fehlvorstellung, bei Irrtum über die rechtlichen Auswirkungen der Annahme der Erbschaft auf den Zugewinnausgleich und das kleine, nicht erhöhte Pflichtteilsrecht des Erklärenden.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Beschluss vom 14.02.2008; Aktenzeichen 2 T 190/07) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Halle vom 14.2.2008 abgeändert.
Die Verfügung des AG - Nachlassgericht - Sangerhausen vom
13.2.2007 wird aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, den Gemeinschaftlichen Erbschein vom 25.10.2005 nach der am 11.10.2005 in M. gestorbenen und zuletzt in S. wohnhaft gewesenen Erblasserin H. H., geborene G., als unrichtig einzuziehen.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die am 11.10.2005 in M. verstorbene Erblasserin war mit dem Beteiligten zu 1) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. In die Ehe brachte sie einen Sohn, den Beteiligten zu 2), aus der Ehe mit dem Beteiligten zu 1) entstammte ein gemeinsames Kind, die Beteiligte zu 3). In dem von der Erblasserin am 26.12.2004 privatschriftlich errichteten Testament, das von dem Nachlassgericht am 21.10.2005 eröffnet wurde, bestimmte sie, dass ihr Ehemann, der Beteiligte zu 1), und ihre Kinder, die Beteiligten zu 2) und zu 3) zu gleichen Teilen erben sollten.
Auf Antrag des Beteiligten zu 1) vom 21.10.2005 erteilte das Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die Beteiligten zu 1) bis 3) als Miterben nach der verstorbenen Frau H. H. zu einer Erbquote von je 1/3 des Nachlasses auswies. Zum Nachlass der Erblasserin gehört das von den Ehegatten gemeinsam errichtete und finanzierte Einfamilienhaus in S., das im Alleineigentum der Erblasserin stand.
Mit der vor der Notarin R. W. mit Amtssitz in E. zur Urkundenrollen-Nr. 1360/2006 beurkundeten Erklärung vom 18.9.2006 hat der Beteiligte zu 1) die Annahme der Erbschaft angefochten und zugleich deren Ausschlagung erklärt. Zur Begründung der Anfechtung hat er vorgetragen, dass er erst am 11.8.2006 von seinem Rechtsanwalt darüber aufgeklärt worden sei, dass er durch die Annahme der Erbschaft einen finanziellen Nachteil erleide. Ihm sei zuvor unbekannt gewesen, dass die Annahme der Erbschaft den Verlust seines Zugewinnausgleichsanspruchs nach § 1371 Abs. 2 BGB sowie des kleinen Pflichtteilsanspruchs zur Folge gehabt habe, diese Ansprüche ihm somit nur im Falle der Ausschlagung zugestanden hätten. Er ist daher der Ansicht gewesen, dass er bei Annahme der Erbschaft einem beachtlichen Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 Abs. 1 BGB erlegen gewesen sei. Er habe sich nämlich darüber geirrt, dass er sich im Falle der Annahme der Erbschaft der Möglichkeit beraube, Zugewinnausgleichsansprüche geltend zu machen. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass er trotz Erbschaftsannahme nicht gehindert sei, daneben den Zugewinn zu beanspruchen. Insofern habe er sich über die Rechtsfolgen seines Handelns geirrt. Im Übrigen sei er von der Erblasserin über den Inhalt der testamentarischen Verfügung seinerzeit nicht informiert worden.
Nachdem das Nachlassgericht den Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom 2.10.2006 auf Bedenken gegen die von diesem vertretene Rechtsansicht hingewiesen hatte, hat es mit Verfügung vom 13.2.2007 festgestellt, dass der Erbschein vom 25.11.2005 die Erbfolge nach der Erblasserin zutreffend wieder gebe und kein Anlass bestehe, den Erbschein als unrichtig gem. § 2361 BGB einzuziehen. Zur Begründung hat das Nachlassgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beteiligte zu 1) die Annahme der Erbschaft nicht wirksam mit der Folge des § 1957 BGB angefochten habe. Denn ihm habe kein Anfechtungsgrund zur Seite gestanden; insbesondere beruhe die mit dem Erbscheinsantrag ausdrücklich erklärte Annahme der Erbschaft nicht auf einem Inhalts- oder Rechtsfolgenirrtum. Dem Antragsteller sei vielmehr bewusst gewesen, dass er mit Annahme der Erbschaft Miterbe werde. Diese Rechtsfolge habe er auch durchaus gewollt. Seine Fehlvorstellung habe sich auf eine Nebenfolge bezogen, nämlich auf den Verlust des Rechts, Zugewinnausgleichsansprüche geltend machen zu können. Der nicht erkannte Eintritt einer zusätzlichen Rechtswirkung stelle sich jedoch als ein unbeachtlicher Motivirrtum dar.
Gegen diese, eine Einziehung des Erbscheins ablehnende Verfügung hat der Beteiligte zu 1) mit dem am 3.4.2007...