Leitsatz

1. Ein gemeinschaftliches Testament kann durch Ehegatten nicht nur in einer einzelnen, sondern auch in zwei getrennten Urkunden errichtet werden. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Erklärung ist es nicht ausreichend, dass die beiden Einzelurkunden am gleichen Tag und Ort und mit im Wesentlichen gleichem Inhalt errichtet worden sind, wenn sie darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür enthalten, dass die Eheleute als gemeinschaftlich erklärend aufgetreten sind.

2. Zu den Voraussetzungen der Amtsaufklärung der Testierfähigkeit der zur Zeit der Errichtung des Testaments unter Betreuung stehenden Erblasserin.

OLG Hamm, Beschl. v. 6.5.2021 – I-10 W 9/21

1 Tatbestand

I.

Die Beteiligten sind die einzigen Abkömmlinge der am 0.0.1933 geborenen Erblasserin B A und ihres am 0.0.2018 vorverstorbenen Ehemannes C A.

Am 26.6.2014 errichtete die Erblasserin unter der Überschrift "Mein Testament" ein handschriftliches Testament mit im Wesentlichen folgendem Inhalt:

"1.) Ich, B A, geb. am 0.0.1933, … , erkläre folgendes: Ich bin mit C A verheiratet. Aus unserer Ehe sind 3 Kinder hervorgegangen: …"

a) Ich bin zur Hälfte Eigentümer des oben genannten bebauten Grundstücks einschließlich Inventar. Die andere Hälfte gehört meinem Mann.

b) Ich bin ferner alleinige Eigentümerin von Geldeinlagen bei der Ebank D.

2.) Für den Erbfall aufgrund meines Todes vor meinem Mann setze ich meinen Mann als Vorerben ein und unseren Sohn F als Nacherben.

a) …

b) Als Vorerbe meines Teileigentums am Hausgrundstück einschließlich Inventar ist mein Mann zu seiner alleinigen Nutzung berechtigt. …

3.) Für den Erbfall aufgrund meines Todes nach meinem Mann verfüge ich folgendes:

Meinen Sohn F setze ich als Erben ein. Seine Geschwister G und H sind Pflichtteilsberechtigte. … “

Am gleichen Tag errichtete der Ehemann der Erblasserin ebenfalls ein handschriftliches Testament mit gleichem Aufbau und im Wesentlichen gleichen Inhalt und Wortlaut. Am 22.4.2018 verfügte der Ehemann der Erblasserin auf seinem Testament handschriftlich ergänzend, dass bei einem Vorversterben der Beteiligten zu 2) und 3) deren Erben pflichtteilsberechtigt seien.

Wegen des weiteren Inhalts und des genauen Wortlauts wird auf das Original des Testaments der Erblasserin (Bl. 9 f. der Beiakte 15 IV 412/20) und die Ablichtung des Testaments ihres Ehemannes (Bl. 7 f.) Bezug genommen.

Auf Anregung des Beteiligten zu 1) und nach Anhörung der Erblasserin bestellte das Amtsgericht – Betreuungsgericht – Bad Oeynhausen mit Beschl. v. 26.7.2019 den Beteiligten zu 1) zum Betreuer der Erblasserin, da diese aufgrund einer manisch-depressiven Erkrankung und eines Zustands nach Hirninfarkt und Operation eines gutartigen Hirntumors daran gehindert sei, ihre eigenen Angelegenheiten interessengerecht zu regeln.

Etwa zur gleichen Zeit zog die Erblasserin aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen aus der bis zu dem Tod des Ehemannes mit diesem gemeinsam und danach allein bewohnten Immobilie in ein Pflegeheim.

Nach dem Inhalt eines anlässlich der Verpflichtung des Beteiligten zu 1) als Betreuer der Erblasserin gefertigten Aktenvermerks vom 27.8.2019 erklärte der Beteiligte zu 1) gegenüber der Rechtspflegerin des Betreuungsgerichts u.a., die Erblasserin sei mittlerweile nicht mehr testierfähig und er wolle das leerstehende Haus der Erblasserin übernehmen, da er es nach dem Testament der Erblasserin später erhalten solle.

Dies nahm die Rechtspflegerin zum Anlass, die Bestellung eines berufsmäßigen Ergänzungsbetreuers gegenüber dem Betreuungsrichter anzuregen.

Wegen des genauen Inhalts des Aktenvermerks wird auf Bl. 53 der beigezogenen Betreuungsakte (17 XVII 329/19 – Sch) Bezug genommen.

In einer daraufhin eingeholten Stellungnahme der Betreuungsstelle des Kreises D vom 13.9.2019 ist als Zusammenfassung aufgeführt:

"Offenbar hat eine Notar die Betroffene für nicht mehr testierfähig erachtet (s. dortige Verfügung vom 27.08.19), sodass die Betreuung wohl weitergeführt werden muss."

Für den Aufgabenkreis Grundstücks- und Immobilienangelegenheiten wird ein Berufsbetreuer vorgeschlagen.“

Die Erblasserin unterzeichnete am 5.10.2019 eine maschinenschriftliche Erklärung, wonach ihr Ehemann am 26.6.2014 mit dem von ihm gefertigten Testament zu ihr gekommen sei und sie aufgefordert habe, ein gleiches Testament unter ihrem Namen zu verfassen. Sie habe ihm wie auch sonst in finanziellen Angelegenheiten blind vertraut und sein Testament abgeschrieben.

Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Erklärung (Bl. 17) Bezug genommen.

Am 15.1.2020 wurde die Erblasserin durch den Betreuungsrichter zu der Frage der Bestellung eines Berufsbetreuers anstelle des Beteiligten zu 1) persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den hierüber gefertigten Aktenvermerk (Bl. 84 f. der Betreuungsakte) verwiesen.

Am 16.1.2020 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:

"Hiermit widerrufe ich, B A, geb. 0.0.1933, mein bisheriges Testament."

Am 0.0.2020 verstarb die Erblasserin.

Der Beteiligte zu 1) hat gestützt auf das Test...

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