Leitsatz
1. Beantragt der Kindesvater als befreiter Vorerbe die Löschung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch, welcher dem Schutz seiner Kinder als minderjährigen Nacherben dient, kann auch die mit dem Vorerben verheiratete Kindesmutter als gesetzliche Vertreterin der Nacherben angehört werden.
2. Sollte die mitsorgeberechtigte Kindesmutter die tatsächlichen Angaben, die für eine nicht gegebene Unentgeltlichkeit der Verfügung des befreiten Vorerben schlüssig beigebracht werden, bestätigen oder nicht bestreiten, dann kann hierin ein "tatsächliches Zugeständnis" der Entgeltlichkeit der Verfügung des Vorerben gesehen werden. In einem solchen Fall läge weder die Vertretung bei einem Rechtsgeschäft mit dem Ehegatten gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch eine Zustimmung zur Verfügung über ein Grundstück gem. §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1 BGB oder ein anderes genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft vor. In diesem Fall wäre zur Anhörung der minderjährigen Nacherben weder ein Ergänzungspfleger zu bestellen noch eine familiengerichtliche Genehmigung einzuholen.
OLG Bremen (3. Zivilsenat), Beschl. v. 6.9.2023 – 3 W 14/23
1 Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1) ist Eigentümer eines Grundstücks in B.-[…], welches im Grundbuch des AG Bremen, Vorstadt R, Bl. eingetragen ist. Die Eigentümerstellung hat er aufgrund Erbfolge als befreiter Vorerbe eine Erbschaft seiner Mutter […] erlangt. In Abteilung II des Grundbuchs ist vermerkt, dass Nacherbfolge sowie Ersatznacherbfolge angeordnet ist. Nacherben des Beteiligten zu 1) sind dessen Kinder. Sie sind derzeit noch minderjährig (*2015). Ersatznacherbin ist die jeweils andere Nacherbin. Für die Nacherbinnen ist Testamentsvollstreckung angeordnet. Zukünftiger Testamentsvollstrecker soll nach einer handschriftlichen Ergänzung des notariellen Testaments der Erblasserin Herr Dr. L sein.
Mit Urkunde Nr. [..] der Notarin X, B. vom 17.2.2023 veräußerte der Beteiligte zu 1) das Grundstück an die Beteiligten zu 2) und 3). Diese beantragten über die Notarin X, B., am 8.5.2023 die Auflassung des Grundstücks und Löschung des Nacherbenvermerks. Dabei wies das AG Bremen – Grundbuchamt – mit Schreiben vom 7.6.2023 darauf hin, dass beabsichtigt sei, die minderjährigen Nacherben vor Löschung des Nacherbenvermerks anzuhören. Durch weiteres Schreiben vom 29.6.2023 legte die Rechtspflegerin des AG Bremen – Grundbuchamt – ihre Rechtsaufassung nahe, wonach die minderjährigen Nacherben vor Löschung des Nacherbenvermerks anzuhören und bei der Anhörung durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger zu vertreten seien. Es bat zugleich um Einleitung des Bestellungsverfahrens und setzte eine Frist nach § 18 GBO von sechs Monaten.
Unter dem 20.7.2023 wandte sich die Notarin an den Präsidenten des AG und bat diesen um Vermittlung. Sie wies darauf hin, dass sie vorsorglich dem Grundbuchamt vorab eine Zustimmungserklärung des potenziellen Testamentsvollstreckers beigefügt habe. Neben einem Hinweis auf die Schwierigkeiten, die mit der Bestellung eines Pflegers verbunden seien, verweisen die Beschwerdeführer darauf, dass der Vorerbe jederzeit die Immobilie veräußern könne, es bestehe auch keine Interessekollision hinsichtlich der beantragten Löschung des Nacherbenvermerks. Das an den Präsidenten des AG gerichtete Schreiben wurde der zuständigen Grundbuchrechtspflegerin zugeleitet. Auf Nachfrage der Rechtspflegerin an die Notarin, ob das Schreiben eine Beschwerde darstelle, legte die Notarin unter dem 8.8.2023 ausdrücklich Beschwerde gegen "die Zwischenverfügung vom 29.6.2023" ein.
Hierauf fasste das AG Bremen – Grundbuchamt – am 11.8.2023 einen Nichtabhilfebeschluss und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor.
Das AG Bremen – Grundbuchamt – sieht sich an der Eintragung deshalb gehindert, weil den Nacherben bislang noch kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Zwar sei durch die entgeltliche Verfügung das Grundstück aus dem Nachlass ausgeschieden und das Grundbuch damit unrichtig. Allerdings sei das Verfahren zur Löschung des Nacherbenvermerks ein Verfahren i.S.d. Art. 103 Abs. 1 GG, sodass den Nacherben rechtliches Gehör zu gewähren sei.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und im Ergebnis begründet. Sie führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung vom 29.6.2023.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Das Rechtsmittel ist als Beschwerde zu behandeln. Die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten hat es nicht nur als solche bezeichnet, sondern begehrt ausdrücklich eine Entscheidung durch das OLG Bremen. Dies ist gem. §§ 71, 72 GBO nur über eine Beschwerde zu erreichen. Sie ist, auch ohne dass die Notarin als Verfahrensbevollmächtigte dies ausdrücklich klargestellt hat, als Rechtsmittel aller Beteiligten auszulegen.
Statthaft ist die Beschwerde gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 71 Abs. 1 GBO gegen Entscheidungen des Grundbuchamts. Bloße Vorbescheide oder Hinweise des Grundbuchamts auf die Rechtslage sind keine Entscheidungen (Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 18 Rn 53; § 71 Rn 11). Eine Entscheidung i.S. dieser Vorschrift kann auch eine Zwischenverfüg...