Leitsatz
Zu den Anforderungen an die im Grundbuchverfahren erforderliche Darlegung, dass die vom Testamentsvollstrecker vorgenommene Verfügung über Grundbesitz eine entgeltliche ist.
OLG München, Beschluss vom 6. Dezember 11 – 34 Wx 403/11
Sachverhalt
Im Grundbuch als Eigentümer von Wohnungseigentum sind eingetragen je zu 1/2 die Beteiligte zu 1 sowie die Beteiligten zu 1 und 2 sowie W. R. in Erbengemeinschaft. W. R. ist verstorben und wurde gemäß Erbschein vom 4.10.2010 von S. und C. R. beerbt. Testamentsvollstreckung ist angeordnet; Testamentsvollstrecker ist der Beteiligte zu 3. Mit notariellem Vertrag vom 1.6.2011 verkauften die Beteiligten zu 1, 2 und 3 an den Beteiligten zu 4 das Wohnungseigentum zum Kaufpreis von 58.000 EUR. Die Verkäufer bewilligten zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums die Eintragung einer Vormerkung. Unter dem 8.6.2011 hat der Notar die Eintragung der Vormerkung gemäß § 15 GBO beantragt.
Mit Zwischenverfügung vom 21.7.2011 hat das Grundbuchamt Frist zur Beseitigung folgenden Hindernisses gesetzt: Es fehle an einem vormerkungsfähigen Anspruch, da der Veräußerungsvertrag des mitwirkenden Testamentsvollstreckers wegen Unentgeltlichkeit unwirksam sei. Daher sei die Zustimmung der Erben und der Vermächtnisnehmerin des verstorbenen Miteigentümers erforderlich. Es sei auch möglich, den Nachweis der Entgeltlichkeit durch ein Wertgutachten zu führen. Es gebe Anhaltspunkte für eine nicht vollständige Entgeltlichkeit. Der im Jahre 1990/91 für 199.500 DM erworbene Grundbesitz sei für 58.000 EUR veräußert worden. Die Kaufpreishochrechnung ergebe als aktuellen Wert einen Betrag von 113.554,70 EUR. Somit fehle es an einem gleichwertigen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung und damit an der Entgeltlichkeit.
Bei einer Eigentumswohnanlage werde der Wert grundsätzlich mittels Baupreisindex auf der Grundlage eines früheren Kaufpreises ermittelt. Dabei würde der Altersabnutzung Rechnung getragen und zudem noch ein Sicherheitsabschlag berücksichtigt. Aus der Stellungnahme des Maklers gehe hervor, dass die Ermittlung des Kaufpreises auf einem "relativ geringen" Mietpreis beruhe. Ein weiterer Anhaltspunkt bestehe darin, dass im Jahre 2009 mehrere Verkäufe von Einheiten in derselben Wohnanlage zu ca. 100.000 EUR stattgefunden hätten. Außerdem ergebe sich aus der Nachlassakte, dass es innerhalb der Erbengemeinschaft Wertermittlungsprobleme gebe. Aufgrund dieser Anhaltspunkte sei der Frage der Entgeltlichkeit nachzugehen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde wird damit begründet, dass der Vergleich mit einem Kaufpreis vor 20 Jahren keinen tauglichen Wertmaßstab für heute bilde. Das Viertel, in dem die Wohnung gelegen sei, sei damals ein "junges, aufstrebendes Viertel" gewesen. Es habe sich aber zu einem problematischen Viertel entwickelt mit einem hohen Anteil von Familien mit Migrationshintergrund. Türkische und deutsch-russische Jugendgruppen trügen immer wieder ihre Streitigkeiten mit großen Aggressionspotenzial aus. Bevölkerungsgruppen, die es sich leisten könnten und denen das Viertel bekannt sei, zögen erst gar nicht dahin. Darüber hinaus sei der örtliche Markt für einzelne vermietete Eigentumswohnungen seit Jahren von einem erheblichen Überangebot geprägt. Der Abzug der amerikanischen Streitkräfte habe einen erheblichen Preisverfall ausgelöst. Darüber hinaus seien Anfang der Neunzigerjahre Eigentumswohnungen überteuert veräußert worden. Vermietete Wohnungen würden außerdem grundsätzlich unter Renditegesichtspunkten gekauft. Der wichtigste wertbildende Faktor sei die nachhaltig erzielbare Kaltmiete in Verbindung mit Nutzfläche, Alter und Erhaltungszustand. Um die Verkäufe aus dem Jahre 2009 mit heranzuziehen zu können, müssten konkret die wertbildenden Merkmale der verkauften Wohnungen dargelegt werden.
Zum Verkauf sei es folgendermaßen gekommen: Das Verhältnis zwischen Miteigentümern sei gespannt. Nach einigen Bemühungen sei zum Jahreswechsel 2010/2011 ein Einvernehmen darüber erzielt worden, dass der Sparkassen-Immobilienservice beauftragt werde, einen Käufer zu finden. Der Makler habe berichtet, er habe mehrere Interessenten, die bereit wären, die Wohnung zu Kaufpreisen von 50.000 EUR und etwas mehr zu kaufen. Keiner sei bereit gewesen, auch nur 60.000 EUR zu zahlen. Ein höherer Kaufpreis als die vereinbarten 58.000 EUR sei für diese Wohnung in vermietetem Zustand nicht zu erzielen.
Es sei schließlich nicht ersichtlich, welche Veranlassung der Beteiligte zu 3 haben sollte, die Erbinnen durch einen Unterwertverkauf zu schädigen. Dies gelte auch für den Verfahrensbevollmächtigten als Vertreter der zu 7/8 wertmäßig am Verkauf Beteiligten zu 1 und 2.
Aus den Gründen
Die nach § 71 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis besteht nicht. Die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung ist ersatzlos aufzuheben.
1. Über...