Leitsatz
Die Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB ist zugunsten der überlebenden Ehefrau anzuwenden, wenn im Erbfall österreichisches Erbstatut und deutsches Güterrechtsstatut gelten. Eine Anwendung der Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB steht dabei nicht im Widerspruch zur erbrechtlichen Quote für den überlebenden Ehegatten von 1/3 nach § 757 ABGB. § 757 ABGB, die nach österreichischem Recht das gesetzliche Erbrecht regelt, trifft keine Regelung für die Abwicklung der güterrechtliche Beteiligung des überlebenden Ehegatten (anders OLG Stuttgart ZEV 2005, 443).
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 19. August 2013 – 3 Wx 60/13
Sachverhalt
Der Erblasser ist österreichischer Staatsangehöriger. Die Beteiligte zu 1. ist das einzige Kind des Erblassers aus dessen erster Ehe. Der Erblasser heiratete in zweiter Ehe in Deutschland die Beteiligte zu 2., eine deutsche Staatsangehörige. Der Erblasser verstarb 2011 während eines vorübergehenden Arbeitsaufenthaltes in Dänemark. Sein Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland.
Zu Protokoll des Rechtspflegers des Amtsgerichts Bad Segeberg vom 9. Juli 2012 beantragte die Beteiligte zu 1. die Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge. Erteilt werden sollte ein gemeinschaftlicher Erbschein dahin, dass der Erblasser beerbt worden sei von der Beteiligten zu 1. zu 2/3 des Nachlasses und von der Beteiligten zu 2. zu 1/3 des Nachlasses.Diesem Erbscheinsantrag ist die Beteiligte zu 2. mit Anwaltsschriftsatz vom 6. August 2012 entgegengetreten und hat zugleich beantragt, einen Erbschein dahingehend zu erlassen, dass der Erblasser beerbt worden sei von der Beteiligten zu 1. und der Beteiligten zu 2. zu je 1/2 des Nachlasses. (...)
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die zur Erteilung eines Erbscheins gemäß Antrag der Beteiligten zu 1. erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und angekündigt, einen Erbschein dahin zu erlassen, dass der Erblasser beerbt worden ist von der Beteiligten zu 1. zu 2/3 des Nachlasses und von der Beteiligten zu 2. zu 1/3 des Nachlasses. Es hat die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt.
Aus den Gründen
Die Beschwerde ist nach den §§ 58 ff FamFG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist § 1371 Abs. 1 BGB anzuwenden, weshalb der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. zurückzuweisen ist.
Im vorliegenden Fall geht es um die in Rechtsprechung und Literatur seit vielen Jahren höchst strittige Frage, ob § 1371 Abs. 1 BGB auch dann gilt, wenn im Erbfall zwar deutsches Ehestatut, aber ausländisches Erbstatut anzuwenden ist. Konkret für den Fall der Anwendung des österreichischem Erbstatuts hatte sich das Landgericht Mosbach (in ZEV 1998, 489 f) dahin entschieden, dass § 1371 Abs. 1 BGB Anwendung finde, wegen der sich dann gegenüber dem deutschen Recht ergebenden erhöhten Erbquote aber eine Angleichung stattzufinden habe, sodass der überlebende Ehepartner insgesamt zu 1/2 erbe. Diese Entscheidung hat damals in der Literatur viel Zustimmung erfahren und findet sie auch weiterhin (etwa Palandt/Thorn, BGB, 72. Aufl. 2013, Art. 15 EGBGB Rn 26; Siehr in MüKo-BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 15 EGBGB Rn 117; Otte in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2008, Art. 15 EGBGB Rn 67, sowie dort auch Lorenz, Art. 25 EGBGB Rn 56).
Anders entschieden hat aber das OLG Stuttgart in dem auch vom Amtsgericht im vorliegenden Verfahren in Bezug genommenen Beschluss aus dem Jahr 2005 (ZEV 2005, 443 f), der ebenfalls österreichisches Erbstatut betrifft. Es hat eine Erhöhung der Erbquote durch Anwendung von § 1371 Abs. 1 BGB in einem derartigen Fall ausgeschlossen und offen gelassen, inwieweit dann ein "schuldrechtlicher Ausgleich" im Hinblick auf den Zugewinnausgleich vorzunehmen sei. Diese Entscheidung hat in der Literatur nur wenig Zustimmung gefunden (etwa Ludwig, jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, Art. 14 EGBGB Rn 74), nicht selten dagegen entschiedene Ablehnung (statt vieler etwa nur Dörner in ZEV 2005, 444 f – er nennt die Entscheidung "höchst unzulänglich begründet"). Jüngere obergerichtliche Judikate beziehen sich indes durchaus auf die Stuttgarter Entscheidung und argumentieren für andere Länder ähnlich (etwa OLG Frankfurt, ZEV 2010, 253 ff, und OLG Köln ZEV 2012, 205 ff).
Eine jüngste Entscheidung des OLG München (ZEV 2012, 591 ff) spricht sich für die Anwendbarkeit der güterrechtlich qualifizierten Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB in Fällen ausländischen Erbstatuts aus (vgl. dazu auch die Anm. von Süß in MittBayNot 2013, 74 f). (...)
Im Ausgangspunkt ist das Amtsgericht mit beiden Beteiligten zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Erbstatut des Erblassers nach österreichischem Recht richtet. Gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB unterliegt die Rechtsfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Das österreichische Recht nimmt diese Verweisung gemäß den §§ 28 Abs. 1 und 9 Abs. 1 ...