Leitsatz
1. Das Aufgebotsgericht darf die Bejahung der Befugnis des Erben zu dem Antrag auf Erlass des Aufgebots der Nachlassgläubiger nicht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen.
2. Das Aufgebotsgericht ist nicht gehalten, zum Zweck der Prüfung der Zulässigkeit des Antrags Beweiserhebungen durchzuführen, die zur abschließenden Feststellung der Erbfolge erforderlich wären.
3. Die Antragsbefugnis ist bereits dann zu bejahen, wenn nach Verwertung präsenter Erkenntnisquellen die Erbenstellung des Antragstellers als wahrscheinlich erscheint.
OLG Hamm, Beschluss vom 2. Dezember 2011 – I-15 W 384/11
Sachverhalt
Die Beteiligte, die mit dem Erblasser im Jahre 2009 die Ehe eingegangen war, hat mit Schriftsatz vom 18.7.2011 das Aufgebot der Nachlassgläubiger und den Erlass eines Ausschließungsbeschlusses beantragt. Mit dem Antrag hat sie eine Abschrift eines notariellen Testaments vom 25.6.2010 nebst Eröffnungsprotokoll vorgelegt. Durch die letztwillige Verfügung des Erblassers wurde sie zur Miterbin eingesetzt. Ferner wurde mit dem Antrag eine Liste der bekannten Nachlassgläubiger sowie eine eidesstattliche Versicherung der Beteiligten vorgelegt.
Das angerufene Amtsgericht hat die Nachlassakten beigezogen. Aus diesen ergibt sich, dass die Kinder des Erblassers aus erster Ehe der Beteiligten jegliches Erbrecht bestreiten. Das Amtsgericht hat der Beteiligten daraufhin aufgegeben, ihre Erbenstellung und damit ihre Antragsbefugnis im Aufgebotsverfahren durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen. Nachdem die Beteiligte dies ausdrücklich verweigert hat, hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der Beschwerde.
Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Zurückweisung des Aufgebotsantrags wegen fehlender Antragsbefugnis im Sinne des § 455 FamFG wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das Verlangen des Amtsgerichts nach einem Nachweis der Erbenstellung durch einen Erbschein berechtigt war oder entscheidungsrelevante Zweifel verbleiben, dass die Antragstellerin Erbin ist. Beides ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall.
Im Aufgebotsverfahren fehlt eine § 35 GBO vergleichbare Vorschrift, die eine bestimmte Form der Nachweisführung vorschreibt. Es verbleibt daher bei dem Grundsatz, dass im Verfahren nach dem FamFG das Gericht auch die Vorfragen seiner Hauptsacheentscheidung selbstständig und von Amts wegen aufzuklären und zu entscheiden hat (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 26 Rn 56 ff). Mit der Begründung, die Antragstellerin habe sich geweigert, einen Erbschein vorzulegen, lässt sich die Zurückweisung des Antrags daher nicht rechtfertigen.
Daraus kann nach Auffassung des Senats allerdings nicht die gegenläufige Schlussfolgerung gezogen werden, das Gericht im Aufgebotsverfahren für verpflichtet zu halten, gemäß § 26 FamFG sämtliche tatsächlichen Ermittlungen soweit durchzuführen, dass die Erbfolge als Voraussetzung der Antragsbefugnis abschließend festgestellt werden kann. Dabei ist zu bedenken, dass das Aufgebotsverfahren nicht dem Nachlassgericht (§ 23 a Abs. 2 Nr. 2 GVG), sondern einer anderen Abteilung des Amtsgerichts (§ 23 a Abs. 2 Nr. 7 GVG) und dort der funktionellen Zuständigkeit des Rechtspflegers (§ 3 Nr. 1 lit.c RPflG) zugewiesen ist. Soweit das Nachlassgericht über einen Erbscheinsantrag zu entscheiden hat, ist hingegen der Richter zur Entscheidung berufen, wenn – wie hier – eine Verfügung von Todes wegen vorliegt (§ 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG). Bei dieser Ausgangslage drängt sich geradezu die Schlussfolgerung auf, dass das Gesetz dem Rechtspfleger der Aufgebotsabteilung nicht eine mit umfangreichen Beweiserhebungen verbundene Auf-klärung einer Erbfolge aufgrund einer letztwilligen Verfügung hat aufgeben wollen, deren Ergebnis auch in einen Widerspruch zu einer späteren richterlichen Entscheidung über einen Erbscheinsantrag geraten könnte.
Eine so weitreichende Belastung der Antragsprüfung im Aufgebotsverfahren ist auch nicht mit Rücksicht auf den Schutzzweck dieses Verfahrens geboten, der sich darauf beschränkt, dem Erben einen besseren Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten zu verschaffen, um gesetzliche Möglichkeiten zur Herbeiführung einer Beschränkung der Erbenhaftung in Anspruch nehmen zu können (vgl. Keidel/Zimmermann, aaO, § 454 Rn 1). Das dadurch umrissene Rechtsschutzinteresse kann auch derjenige für sich in Anspruch nehmen, dessen (Mit-)Erbenstellung urkundlich belegt ist, der aber seine Erbenstellung derzeit weder durch Erbschein noch durch Feststellungsurteil nachweisen kann, weil die Erbfolge unter tatsächlichen Gesichtspunkten streitig ist, die nur durch eine umfangreiche Beweisaufnahme geklärt werden können. Eine andere Betrachtung würde dem Antragsteller in einer solchen Situation den Schutz des § 2015 Abs.1 BGB versagen, den er nur in Anspruch nehmen kann, wenn der Antrag auf Einleitung des Aufgebotsverfahrens innerhalb eines Jahres nach Annahme der Erbschaft zugelassen wird. Die Rechte anderer Erbprätendenten sowie der Nachlassgläubiger werden nicht berühr...