Einführung
Oft wird übersehen, dass der Nachlassgläubiger verschiedene materielle und prozessuale Möglichkeiten hat, durch den Erblasser begründete Forderungen gegen die sich in noch ungeteilter Erbengemeinschaft befindlichen Miterben durchzusetzen. Demgemäß variieren die Verteidigungsmöglichkeiten der wegen Nachlassverbindlichkeiten klageweise in Anspruch genommenen Miterben. Der nachfolgende Beitrag will die Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Klageverfahren aufzeigen und dabei die Abhängigkeiten zwischen diesen und den Haftungsgrundsätzen, denen die Miterben unterliegen, darstellen.
I. Einleitung
Miterben haften für Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner, § 2058 BGB. Den Nachlassgläubigern stehen dabei zwei Haftungsmassen gegenüber: das gesamthänderisch gebundene Nachlassvermögen und das Privatvermögen der Miterben. Miterben haften mit ihrem Privatvermögen grundsätzlich auf das Ganze. Hintergrund dieser Regelung ist, die Nachlassgläubiger durch den Tod des Erblassers nicht schlechter zu stellen, denn der Erblasser wäre auch zu Lebzeiten weder zur Haftungsbeschränkung noch zur Begründung von Teilschulden auf mehrere Personen berechtigt gewesen. Eine teilschuldnerische Haftung der Miterben hätte zudem zur Folge, dass die Nachlassgläubiger dem Insolvenzrisiko eines jeden Miterben ausgesetzt sind.
Daneben können die Nachlassgläubiger auch Zugriff auf das ungeteilte Nachlassvermögen nehmen, § 2059 Abs. 2 BGB. Diese Regelung war nach Auffassung des Gesetzgebers erforderlich, weil der Erbe nach § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB die gesamtschuldnerische Haftung einredeweise beschränken kann. Hiernach steht jedem Miterben vor der Teilung des Nachlasses das Recht zu, die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten aus seinem Privatvermögen zu verweigern. Zwar soll der Miterbe durch den Erbfall nicht schlechter, jedoch auch nicht besser gestellt werden. Solange der Nachlass als Sondervermögen in seiner gesamthänderischen Bindung erhalten ist, besteht kein Grund, den Zugriff der Nachlassgläubiger darüber hinaus zu ermöglichen. Würden die Nachlassgläubiger vor Nachlassteilung zusätzlich auf das Privatvermögen der Miterben zugreifen können, erlangten sie durch den Erbfall eine nicht zu rechtfertigende Besserstellung. Darüber hinaus trägt die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit des § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB dem Umstand Rechnung, dass die Miterben vor Erbteilung über die einzelnen Nachlassgegenstände nur gemeinschaftlich verfügen können, § 2040 Abs. 1 BGB, und dass ein Miterbe den Ausgleich einer Nachlassverbindlichkeit aus dem Nachlass nicht erzwingen kann und daher auf die Zustimmung der anderen Miterben angewiesen ist. Nach der Teilung ist das Nachlassvermögen in dem Privatvermögen der Miterben aufgegangen; es steht nicht mehr als gesondertes, gesamthänderisch gebundenes Vermögen dem Gläubigerzugriff zur Verfügung, und auch jeder Miterbe ist nicht daran gehindert, über die ihm zugeteilten Nachlassgegenstände autark zu verfügen und Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen. Eines einredeweise geltend zu machenden besonderen Schutzes des Privatvermögens der Miterben aus § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf es somit nach der Teilung nicht mehr.
Der Miterbe haftet nach § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB ausnahmsweise mit seinem Privatvermögen, jedoch für den der Erbquote entsprechenden Teil der Verbindlichkeit, wenn er seine Haftungsbeschränkung verwirkt hat. Dies ist bei Versäumung der Inventarfrist (§§ 1994 Abs. 1 S. 2, 2005 Abs. 1 S. 2 BGB), Inventaruntreue (§ 2005 Abs. 1 S. 1 BGB), Verweigerung der eidesstattlichen Versicherung (§ 2006 Abs. 3 BGB), Versäumen des Vorbehalts der beschränkten Haftung (§ 780 ZPO) oder bei Verzicht der Fall.
II. Gesamtschuldklage
Aufgrund der gesamtschuldnerischen Stellung eines jeden Miterben kann der Gläubiger seine Forderung gegen einzelne oder mehrere oder – nicht notwendigerweise – alle Miterben richten und diese wie Alleinerben auf vollständige Erfüllung in Anspruch nehmen (sog. Gesamtschuldklage, §§ 2058, 421 BGB). Das Recht hat der Gläubiger nicht vor Annahme der Erbschaft (§ 1958 BGB), wohl aber bereits vor der Teilung des Nachlasses. Wegen § 425 BGB muss die gegen mehrere Gesamtschuldner erhobene Klage nicht einheitlich entschieden werden, daher liegt grundsätzlich keine notwendige Streitgenossenschaft iSd § 62 ZPO vor.
Die unter I. erwähnte Einrede der beschränkten Erbenhaftung (§ 2059 Abs. 1 BGB) muss der Erbe bereits im Erkenntnisprozess erheben und im Urteil nach § 780 Abs. 1 ZPO vorbehalten sein. Die Erhebung der Einrede im Gesamtschuldprozess führt nicht zur Klageabweisung, sondern nur dazu, dass die Beschränkung der Erbenhaftung im Urteil vor...