Leitsatz
Will der Erblasser dem Begünstigten einen Vermögensvorteil gegenüber den übrigen Miterben zukommen lassen, liegt ein Vermächtnis vor. Fehlt ein solcher Begünstigungswille, handelt es sich um eine bloße Teilungsanordnung.
OLG Koblenz, Urteil vom 27. November 2013 – 5 U 851/13
Sachverhalt
Die Klägerinnen zu 1. und zu 2. sowie der Beklagte streiten über den Nachlass des gemeinsamen Vaters Egon G., der am 13.8.2011 verstarb. Egon G. hatte am 3.7.1998 – in insoweit autorisierter Änderung eines am 12.3.1984 mit seiner damaligen Ehefrau errichteten Berliner Testaments – seine fünf Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Dem Beklagten wandte er "im Voraus und ohne Anrechnung auf das Erbrecht" sein Hausanwesen samt Mobiliar und seinen Pkw zu. Dafür sollte der Beklagte an seine Geschwister sechs Monate nach Eintritt des Erbfalls jeweils 15.000 DM zahlen. Der Umfang dieser Verpflichtung sollte sich nach Maßgabe des Lebenshaltungsindex verändern. In einer weiteren letztwilligen Verfügung vom 15.3.2010 schränkte Egon G. die Berechtigung des Beklagten hinsichtlich des Hausinventars und des Fahrzeugs zugunsten einer seiner Töchter ein und begründete für seine Lebensgefährtin ein Wohnrecht an der Immobilie sowie deren Inventar.
Der Nachlass Egon G’s erschöpfte sich in den vorgenannten Dingen und in einem Sparguthaben, das die Klägerinnen mit 2.040,19 EUR beziffert haben. Im vorliegenden Rechtsstreit haben sie davon jeweils 1/5 für sich reklamiert und den Beklagten außerdem – gestützt auf die testamentarische Regelung vom 3.7.1998, die als Aussetzung von Vermächtnissen zu ihren Gunsten zu begreifen sei – in Umrechnung und Anpassung des dort genannten Betrags von 15.000 DM jeweils auf 9.324,43 EUR in Anspruch genommen. Darüber hinaus haben sie vorgerichtliche Anwaltskosten von 833,88 EUR eingefordert. Der Beklagte hat eingewandt, dass Egon G. am 3.7.1998 lediglich eine Teilungsanordnung getroffen oder allenfalls Auflagen gemacht habe. Im Übrigen sei der Nachlass überschuldet gewesen. Das mache ihm eine Leistung unmöglich. Das Landgericht hat den Beklagten unter dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung antragsgemäß verurteilt. Die gegen ihn geltend gemachten Ansprüche stünden in ihrer Höhe nicht infrage.
Das greift der Beklagte mit der Berufung an und erstrebt die Abweisung der Klage. Er stellt Zahlungsansprüche der Klägerinnen in Abrede, da sie nur durch eine Auflage begünstigt worden seien. Zudem könne er frühestens dann zu Leistungen herangezogen werden, wenn das Wohnrecht für die Lebensgefährtin Egon G’s erloschen sei. Dessen Wille sei dahin gegangen, ihn nur zu belasten, falls ihm das Hausanwesen uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Demgegenüber verteidigen die Klägerinnen das angefochtene Urteil.
Aus den Gründen
Das Rechtsmittel führt zur sachlichen Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung insoweit, als der Beklagte zur Auskehrung von jeweils 1/5 des im Nachlass befindlichen Sparkassenguthabens an die Klägerinnen verurteilt worden ist. Im Übrigen scheitert es.
1. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass der Beklagte jeder der Klägerinnen auf der Grundlage des Testaments vom 3.7.1998 einen indexierten Betrag von 15.000 DM schuldet, der im Hinblick auf die zwischenzeitlich angestiegenen Lebenshaltungskosten jetzt unstreitig auf 9.324,43 EUR angewachsen ist. Zugunsten der Klägerinnen wurden insoweit anspruchsbegründende (§ 2174 BGB) Vermächtnisse ausgesetzt. Damit wurde der Beklagte im Gegenzug dazu beschwert, dass ihm seinerseits das Hausgrundstücks Egon G’s samt Inventar vermacht wurde (§ 2147 S. 1 BGB).
Die in diesem Zusammenhang verwandte Formulierung, dies geschehe "im Voraus und ohne Anrechnung auf das Erbrecht", macht deutlich, dass die Regelung vom Erbe abgekoppelt wurde. Mithin ließ sie sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht als eine Teilungsanordnung begreifen. Die Belastung des Beklagten beschränkte sich auch nicht auf eine bloße Auflage. Seinem Anspruch auf das Hausgrundstück wurde ein Forderungsrecht der Geschwister gegenübergestellt, die als "Herauszahlungsberechtigte" bezeichnet wurden. Hätten sie keinen persönlichen Anspruch haben sollen, wäre eine andere Wortwahl getroffen worden; das Testament vom 3.7.1998 wurde vor einem Notar errichtet.
a) Der Umstand, dass Egon G. im Testament vom 15.3.2010 für seine Lebensgefährtin ein Nutzungsrecht an der dem Beklagten vermachten Immobilie und deren Inventar vorsah, schränkt die Vermächtnisansprüche der Klägerinnen nicht ein. Eine Auslegung der letztwilligen Verfügung vom 3.7.1998 dahin, dass sich die streitigen Zahlungspflichten des Beklagten angesichts des am 15.3.2010 angeordneten Nutzungsrechts verringern oder bis zu dessen Erlöschen gestundet sein sollten, kommt nicht in Betracht. Denn das hätte in den – dem Formzwang des § 2231 BGB unterworfenen – Äußerungen des Erblassers Anklang finden müssen (BGHZ 80, 242; BGHZ 86, 41). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Egon G. bei der Errichtung des Testaments vom 15.3.2010 eingangs auf seine Verfügungen vom 3.7.1998 Bezug nahm un...