Die Beschwerde gegen die nach § 352 Abs. 1 FamFG ergangene Feststellungsentscheidung ist nach § 58 FamFG statthaft und in der rechten Form und Frist eingelegt, §§ 63, 64 FamFG. (...)
In der Sache ist die Beschwerde begründet und führt zur Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 1), weil das privatschriftliche Ehegattentestament, das der Erblasser am 3.9./20.10.20## mit der Beteiligten zu 1) gefertigt hat, unwirksam ist.
In diesem gemeinschaftlichen Testament hatten sich die damaligen Eheleute H gegenseitig zu Vollerben eingesetzt und außerdem übereinstimmend den Sohn der Beteiligten zu 1), den der Erblasser adoptiert hat, als Schlusserben des zuletzt versterbenden Ehegatten bestimmt (§ 2269 Abs. 1 BGB, sog. Berliner Testament). Die in dem Testament verfügte Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) durch den Erblasser ist im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB wechselbezüglich zu der letztwilligen korrespondierenden Verfügung der Beteiligten zu 1). Wechselbezüglichkeit im Sinne von § 2270 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen Verfügung stehen oder fallen soll. Hiervon ist vorliegend mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen, vgl. § 2270 Abs. 2 1. Alt.
Dieses Testament ist nicht aufgrund der Scheidung der Ehe des Erblassers mit der Beteiligten zu 1) unwirksam geworden. § 2077 Abs. 1 BGB enthält nämlich eine dispositive Auslegungsregel entsprechend dem vom Gesetz vermuteten wirklichen Willen des Erblassers, der auf Hinfälligkeit des den Ehegatten begünstigenden Testaments für den Scheidungsfall gerichtet ist. Ein hypothetischer Wille ist aber nur dann von Bedeutung, wenn ein irrtumsfreier Wille fehlt. Zur Weitergeltung der letztwilligen Verfügung ist erforderlich und genügend, wenn sie der Erblasser auch für den Fall der Eheauflösung getroffen hat oder hätte (BGH FamRZ 1960, 28). Letzteres ist hier der Fall. Der Erblasser und seine damalige Ehefrau haben nämlich am 20.10.20## ihr gemeinsames Testament entsprechend der Regelung in § 2077 Abs. 3 BGB ausdrücklich ergänzt.
Deshalb konnte sich der Erblasser von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments nur dadurch befreien, dass er seine in dem gemeinschaftlichen Testament getroffene letztwillige Verfügung nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschriften des § 2296 BGB widerrief (§ 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zwar hat der Erblasser in dem notariellen Testament vom 10.1.20## vorsorglich alle bisher getroffenen Verfügungen von Todes wegen widerrufen. Gemäß § 2296 Abs. 2 BGB war diese beurkundungsbedürftige Widerrufserklärung aber der Beteiligten zu 1) gegenüber abzugeben. Die in Abwesenheit des Erklärungsempfängers abgegebene Erklärung bedurfte zu ihrer Wirksamkeit nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB des Zugangs bei der Beteiligten zu 1). Gemäß § 132 Abs. 1 BGB gilt eine Willenserklärung auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zugestellt worden ist. Die Wirksamkeit einer solchen Zustellung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 31, 5 = NJW 1960, 33; 36, 201 = NJW 1962, 736; 48, 374 = NJW 1968, 496), der sich der Senat angeschlossen hat (NJW-RR 1991, 1480 = FamRZ 1991, 1486 mwN), voraus, dass die Widerrufserklärung dem Erklärungsempfänger in (Urschrift oder) Ausfertigung übermittelt werden muss; die Übergabe einer beglaubigten Abschrift reicht hingegen nicht aus. Darüber hinaus kann jeder Ehegatte die in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen grundsätzlich nur zu Lebzeiten des anderen Ehegatten frei widerrufen. Nach der Rechtsprechung des BGH (aaO) ist § 130 Abs. 2 BGB im Falle der Zustellung einer Widerrufserklärung nach dem Tode des widerrufenden einschränkend dahin auszulegen, dass § 130 Abs. 2 BGB nur solche Fälle erfasst, bei denen sich diese Willenserklärung beim Tode des Erklärenden bereits "auf dem Weg" zum Adressaten befindet und der Zugang alsbald nachfolgt. Dies hat seine Rechtfertigung darin, dass nach § 2271 Abs. 2 BGB das Widerrufsrecht des Überlebenden mit dem Tode des anderen Ehegatten erlischt, sofern es ihm nicht ausdrücklich vorbehalten worden war oder die in §§ 2294, 2335, 2336 BGB aufgeführten Gründe ihn auch noch nach diesem Zeitpunkt zum Widerruf berechtigen; die zeitlich begrenzte Widerrufsmöglichkeit des § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB erstrebt also den Schutz des testamentstreuen Partners, in dessen Interesse möglichst bis zum Tode des Vorversterbenden die Frage der Testamentsfortdauer und -bindung geklärt sein soll (Senat aaO). Vorliegend kann dahinstehen, ob die Widerrufserklärung der Beteiligten zu 1) formgerecht übermittelt worden ist. Jedenfalls befand sie sich nicht beim Tod des Erblassers auf dem Weg und ist damit verspätet der Betei...