Wie versteht die Rechtsprechung eine Pflege "während längerer Zeit"? Bei dem Ausgangsfall, wo zweieinhalb Jahre gepflegt wurde, ist dieses Erfordernis ersichtlich erfüllt. Gilt das aber auch dann, wenn ein Kind in seiner Urlaubszeit für vier Wochen den Vater pflegt, etwa als Ersatz für den Ausfall einer anderen Pflegeperson?
Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs zur Lösung dieser Frage kann der Rückgriff auf Sinn und Zweck der Norm helfen: Es soll Gerechtigkeit unter den Abkömmlingen hergestellt werden, indem derjenige einen Ausgleich erhält, der über das übliche Maß hinaus Leistungen für den Erblasser erbracht hat. Dann aber kann es nicht darum gehen, bereits geringfügige Unterschiede in den Hilfestellungen der verschiedenen Kinder auszugleichen. Das OLG Frankfurt hat dies deutlich mit seiner Bemerkung zum Ausdruck gebracht, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nicht etwa jede Unterstützungsleistung zu einem Ausgleich berechtige, auch wenn sie über das hinausgehe, was von anderen Erben erbracht worden sei.
Angesichts des genannten Zwecks der Norm muss es sich aber auch nicht unbedingt um einen zusammenhängenden Zeitraum handeln, in dem die Pflegeleistungen erbracht werden. So war für das OLG Frankfurt in der zitierten Entscheidung ausreichend, dass einer der Abkömmlinge zwischen 2006 und dem Tod der Erblasserin 2008 regelmäßig über das Wochenende Pflegeleistungen erbracht hatte. In dieser Zeit konnte die ansonsten innerhalb der Woche pflegende andere Tochter ihren beruflichen Tätigkeiten als Flugbegleiterin nachgehen. Die fragliche Wochenendpflegetätigkeit war schon mehr als eine bloße gelegentliche Hilfestellung eines Abkömmlings für den Erblasser – mit der Folge, dass beide pflegenden Töchter gegenüber den anderen Abkömmlingen Ausgleichung verlangen konnten.
Um eine ausreichende Pflegetätigkeit in zeitlicher Hinsicht darzulegen, ist im streitigen Verfahren allerdings ein konkreter Vortrag nötig, der eine Subsumtion ermöglicht. Daran fehlte es hinsichtlich einer weiteren Tochter der Erblasserin im Fall des OLG Frankfurt. Sie hatte ohne nähere Darlegung nur vorgebracht, bei Verhinderung der beiden anderen eingesprungen zu sein und die Mutter gepflegt zu haben. Daraus ließ sich in Abgrenzung zu dem deutlich konkreteren Vortrag der beiden anderen Schwestern nicht ableiten, dass – auch in zeitlicher Hinsicht – mehr als übliche gelegentliche Hilfestellung erbracht worden war.
Es kann im Einzelfall auch ein als solcher eher kurzer Gesamtzeitraum ausreichen, wenn die Intensität der Pflegeleistung – und damit der tägliche Arbeitsaufwand auch in zeitlicher Hinsicht – sehr hoch ist. Die Tochter, die ihren Vater – aufgrund seiner Erkrankungen fast rund um die Uhr betreuungsbedürftig – über vier Wochen während ihres Urlaubs anstelle anderer, ausgefallener Pflegkräfte pflegt, könnte deshalb bereits unter § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB fallen. In der Literatur wird aber auch nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass bei leichterer Pflegetätigkeit ein wesentlich längerer, u. U. gar mehrjähriger Zeitraum zu verlangen ist, um das gesetzliche Kriterium zu erfüllen.