Leitsatz
Setzt der Erblasser in seinem Testament jemanden zum Alleinerben ein, um seinen landwirtschaftlichen Betrieb zu erhalten, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob vorrangiges Motiv der Alleinerbeneinsetzung die Weiterführung des Betriebs durch den Erben war, oder ob die Alleinerbeneinsetzung allein dem Zusammenhalt des landwirtschaftlichen Betriebs durch Vermeidung der Bildung einer Erbengemeinschaft und dadurch drohenden Auseinanderfalls des landwirtschaftlichen Betriebs diente.
OLG München, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 31 Wx 234/16
Sachverhalt
Der am 24.10.2000 verstorbene Erblasser war kinderlos und nicht verheiratet. Dessen Eltern waren bereits vorverstorben. Der Erblasser hatte drei Brüder und zwei Schwestern. Ein Bruder war zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls unter Hinterlassung von zwei Abkömmlingen bereits 1986 vorverstorben.
Der Erblasser verfasste am 16.4.1979 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit folgendem Inhalt:
Zitat
"Ostern 1979 "
Testament
Im Falle meines plötzlichen Todes bestimme ich, A. R. Landwirt in S. Nr. 11 geb. am 29.1.1935, meinen Bruder M. R. geb. am 7.3.1944 in S. zum Alleinerben meines gesamten Besitzes (Haus, Hof, Feld u. Wald einschließlich alles lebenden und toten Inventares) sowie das Barvermögen (Rk. Z., Rk. A. u. Kreissparkasse W.). Das Barvermögen dient als Betriebskapital und ist wertbeständig der Landwirtschaft (Betrieb) dienlich zu verwenden. (Sollte meinem Bruder M. etwas zustossen ohne daß er hierfür einen Erben bestimmt hat sollte unter den Kindern meiner Geschwister einmal ein geeigneter Erbe gefunden werden.) Das Anwesen muss auf jeden Fall als Ganzes erhalten bleiben und weitergeführt werden. Meine Geschwister bitte ich in meinem und im Sinne meiner Eltern und Vorfahren um Verständnis. Danke für Eure Hilfe!
S., den 16.4.1979
R. A.“
Entsprechend der letztwilligen Verfügung des Erblassers wurde dem zum Alleinerben bestimmten M.R. vom Nachlassgericht am 30.1.2001 ein Erbschein erteilt, der ihn als Alleinerben auswies. Dieser ist am 27.1.2014 verstorben.
Die Beteiligte zu 8) hat mit Schreiben vom 27.3.2015, beim Nachlassgericht eingegangen am 26.3.2015, das Testament des Erblassers vom 16.4.1979 wegen Motivirrtums angefochten. Das Nachlassgericht hat das Schreiben der Beteiligten zu 8) dahingehend ausgelegt, dass mit der Anfechtung des Testaments auch die Einziehung des am 30.1.2001 dem verstorbenen M. R. erteilten Erbscheins als unrichtig erstrebt werde. Mit Beschluss vom 23.5.2016 hat das Nachlassgericht die Anfechtung des Testaments vom 16.4.1979 für begründet erachtet und die Einziehung des vorgenannten Erbscheins angeordnet. Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 2) und 5) Beschwerde eingelegt.
Aus den Gründen
Die zulässigen Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 5) haben im Ergebnis Erfolg mit der Folge, dass der Beschluss des Nachlassgerichts vom 23.5.2016 aufzuheben war.
Denn zu Unrecht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Einziehung des Erbscheins vom 30.1.2001 vorliegen. Entgegen seiner Auffassung greift nämlich die von der Beteiligten zu 8) erklärte Anfechtung des Testaments des Erblassers vom 16.4.1979 nicht durch, sodass das vorgenannte Testament für die Erbfolge nach dem Erblasser A. R. maßgebend bleibt. Der Senat ist nämlich nicht überzeugt, dass der bewegende Grund für die Erbeinsetzung des M. R. als Alleinerbe des Erblassers die Erhaltung und Weiterführung des landwirtschaftlichen Betriebs in persona des Bedachten gewesen ist.
1. Gemäß § 2078 Abs. 2 BGB kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden ist. Darunter fällt jeder Motivirrtum, auch der durch arglistige Täuschung herbeigeführte (vgl. Staudinger/Otte, BGB, 2013, § 2078 Rn 12). Es ist gleichgültig, ob sich der Irrtum auf die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft bezieht. Die Anfechtung kann nur auf solche irrigen Vorstellungen und Erwartungen gestützt werden, die der Erblasser bei der Errichtung seines Testaments tatsächlich gehabt hat; dazu gehören auch Vorstellungen und Erwartungen, die er zwar nicht in sein Bewusstsein aufgenommen, aber als selbstverständlich seiner Verfügung zugrunde gelegt hat (BGH NJW 1963, 246–247; BayObLG FamRZ 1984, 1270–1271, FamRZ 2003, 708–709). Der Irrtum kann Personen, Gegenstände, politische und wirtschaftliche Verhältnisse oder Rechtsverhältnisse betreffen. Immer aber muss es sich um einen außerhalb der Verfügung selbst liegenden Umstand handeln (Staudinger/Otte, BGB, aaO Rn 14). Dabei kommt es für die Frage des Irrtums nicht etwa auf eine objektive verständige Würdigung an, sondern auf die subjektiven Vorstellungen des Erblassers mit allen Besonderheiten seiner Persönlichkeit. Die Anfechtbarkeit setzt des Weiteren voraus, dass der Erblasser durch die festgestellten Fehlvorstellungen zu der Verfügung bestimmt worden ist. Dabei ist wiederum auf die subjektive Denk- und A...