Ob mit der Einführung des "strukturellen Inlandsbezugs" den unionsrechtlichen Anforderungen entsprochen wurde, darf bezweifelt werden. Entgegen der Gesetzesbegründung zu § 51 Abs. 2 AO dürfte dies nicht gelungen sein. Durchaus hat der EuGH in der Entscheidung "Stauffer" zwar "en passant" zum Ausdruck gebracht, dass es im Ermessen der Mitgliedstaaten stehe, eine hinreichend enge Verbindung zwischen den Tätigkeiten gemeinnütziger Körperschaften und dem die steuerliche Befreiung gewährenden Mitgliedstaat selbst zu fordern. Einen umfassenden Freibrief zur gesetzlichen Verankerung eines pauschalen Inlandsbezugs für gemeinnützige Zwecke erteilte der EuGH aber nicht; allenfalls die Zubilligung eines gestalterischen Ermessens, das unter Wahrung des Unionsrechts, insbesondere unter Beachtung der Grundfreiheiten, auszuüben ist.
§ 51 Abs. 2 AO muss sich vor diesem Hintergrund die gleiche unionsrechtliche Kritik gefallen lassen, mit der auch schon § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aF begegnet worden war. Obgleich § 51 Abs. 2 AO – anders als noch § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aF – auf den ersten Blick diskriminierungsfrei und damit grundfreiheitskonform ausgestaltet zu sein scheint, indem ein Inlandsbezug im Ausland verwirklichter gemeinnütziger Zwecke für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichte Körperschaften gleichermaßen gefordert wird, offenbart die in der Gesetzbegründung angelegte und durch die Finanzverwaltung praktizierte Rechtsanwendung der Vorschrift, dass der Inlandsbezug ausschließlich beschränkt steuerpflichtige Körperschaften adressiert und diesen insoweit den Zugang zu den gemeinnützigkeitsbedingten Steuerbefreiungen erschwert. Während nämlich bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften das Verfolgen einer gemeinnützigen Tätigkeit im Ausland Indizwirkung für die Erfüllung des "strukturellen Inlandsbezugs" entfalten soll, muss bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften ein positiver Nachweis der Voraussetzungen des "strukturellen Inlandsbezugs" – konkret: "Inländerbegünstigung" oder "Ansehensförderung" – erbracht werden. Diese Ungleichbehandlung benachteiligt beschränkt steuerpflichtige Körperschaften in unionsrechtsrelevanter Weise. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Indizwirkung nicht auch dann greifen soll, wenn alle Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit – mit Ausnahme des "strukturellen Inlandsbezugs" – nachweislich durch beschränkt steuerpflichtige Körperschaften erfüllt werden.
Unter dem Eindruck der Entscheidung "Stauffer" liegt es nahe, § 51 Abs. 2 AO im Ergebnis für unionsrechtswidrig zu erklären. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde der EuGH bei entsprechendem Vorlagefall auch zu diesem Tenor gelangen, handelt es sich doch bei § 51 Abs. 2 AO nur um ein "als Inlandsbezug getarntes Surrogat" für § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aF. Solange der Gesetzgeber § 51 Abs. 2 AO damit nicht unionsrechtskonform überarbeitet, obliegt es den Finanzbehörden und -gerichten, ihre aus dem Gebot des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts resultierenden Pflichten im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung wahrzunehmen. Erfolgen kann dies entweder durch eine "schlichte Nichtanwendung" der Vorschrift des § 51 Abs. 2 AO oder durch eine "modifizierte Anwendung" dergleichen in der Weise, als die bisher nur für unbeschränkt steuerpflichtige gemeinnützige Körperschaften geltende Indizwirkung auch für beschränkt steuerpflichtige gemeinnützige Körperschaften greift, was einer Nichtanwendung faktisch gleichkommen würde.