Leitsatz
1. Bei einem gemeinschaftlichen Testament steht die jeweilige Erbeinsetzung der Kinder der Erblasser als Schlusserben und die jeweilige Einsetzung des Ehepartners zum Alleinerben nach dem Erstversterbenden im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit.
2. Die Wechselbezüglichkeit entfällt nicht dadurch, dass im gemeinschaftlichen Testament ausgeführt ist, der Überlebende solle berechtigt sein, "frei und unbeschränkt über den Nachlass zu verfügen". Durch eine solche Formulierung wird lediglich der Wille der Testierenden bekräftigt, dass der Längstlebende bei Verfügungen über das Nachlassvermögen unter Lebenden nicht beeinträchtigt sein soll.
Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 9. August 2013 – 2 WX 198/13
Sachverhalt
Der Erblasser hatte zwei Verfügungen von Todes wegen hinterlassen. In einem gemeinschaftlichen Testament mit seiner Ehefrau heißt es:
Zitat
"Wir, die Eheleute ... bestimmen für den Fall unseres Todes: Wir setzen uns gegenseitig zu Vollerben unseres dereinstigen Nachlasses ein, dergestalt, dass der Überlebende von uns berechtigt ist, frei und unbeschränkt über den Nachlass zu verfügen. Nach dem Tod des Überlebenden soll unsere Tochter alleiniger Erbe unseres dereinstigen Nachlasses sein."
Nach dem Tod der Ehefrau errichtete der Ehemann ein weiteres notariell beurkundetes Testament. In dem Testament nahm er auf die im ersten Testament verfügte gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten und die Einsetzung der Tochter zur Erbin nach dem Tod des Längstlebenden Bezug und verfügte
Zitat
"Die Erbeinsetzung meiner vorgenannten Tochter soll weiterhin bestehen bleiben."
Danach erfolgten aber weitere Regelungen, insbesondere die Aussetzung von Vermächtnissen und die Anordnung der Testamentsvollstreckung. Die Vermächtnisse erfassten den gesamten Nachlass. Die Tochter des Erblassers beantragte, ihr einen Alleinerbschein zu erteilen mit der Begründung, aufgrund ihrer Berufung zur Vollerbin im gemeinschaftlichen Testament und der hieraus sich ergebenden Wechselbezüglichkeit habe der Erblasser nicht erneut zulasten seiner Tochter testieren können.
Im Rahmen des Verfahrens verstarb die Tochter des Erblassers und wurde von deren Ehemann beerbt, der das Verfahren fortführte.Gegen die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts wurde Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat dieser Beschwerde stattgegeben und das Amtsgericht angewiesen, einen Erbschein zu erteilen, der die Tochter als Alleinerbin ausweist.
Anmerkung
Die Wechselbezüglichkeit der Einsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten und deren Verhältnis zu Verfügungen unter Lebenden gibt immer Anlass zur Auslegungs Wechselbezüglich sind grundsätzlich diejenigen Verfügungen, die ein Ehegatte gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der Partner eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat, wenn also nach dem Willen der gemeinschaftlich testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll. Im vom OLG entschiedenen Fall ging es um die Schlusserbeinsetzung der gemeinsamen Tochter. Das OLG hat hier Wechselbezüglichkeit angenommen. Die Erblasser hatten allerdings im Satz vor der Schlusserbeinsetzung die Berechtigung des Überlebenden zur freien Verfügung über den Nachlaß bestimmt. Das OLG legte diese Regelung dahingehend aus, dass es bei der Wechselbezüglichkeit hinsichtlich der Einsetzung nach dem Längstlebenden bleibt, der Überlebende aber zu Lebzeiten frei verfügen kann.
Das Oberlandesgericht bezeichnet es zunächst als "allgemeine Meinung", dass gemäß § 2270 Abs. 1 BGB jede einzelne Verfügung im Verhältnis zu den einzelnen anderen Verfügungen im Hinblick auf die Frage untersucht werden muss, ob anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden ist. Für den klassischen Fall des Berliner Testaments wird vom OLG unter Bezugnahme unter anderem auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 2002, 1126, 1127 angenommen, dass die jeweilige Erbeinsetzung der Kinder der Erblasser als Schlusserben und die jeweilige Einsetzung des Ehepartners zum Alleinerben nach dem Erstversterbenden im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit stehen können. Die Annahme einer Wechselbezüglichkeit bei einer diesbezüglichen Regelung wird vom OLG damit begründet, dass die Enterbung des gemeinsamen Kindes durch den Erstversterbenden nur im Hinblick darauf in Kauf genommen wird, dass das gemeinsame Kind vom Längstlebenden als Schlusserbe eingesetzt wird und so beim zweiten Todesfall am Familienvermögen teilhaben kann. Interessant sind die Ausführungen des OLG zu der Frage, wie es sich mit dem Hinweis der Erblasser im Testament verhält,
"dass der Überlebende von uns berechtigt ist, frei und unbeschränkt über den Nachlass zu verfügen."
Das Oberlandesgericht hat hier darauf abgestellt, dass es sich um ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament gehandelt habe, also ein "Laientestament". Gemeint sei mit dieser Formulierung, dass der überlebende Ehegatte über das ererbte Vermögen und sein eigenes Vermögen zu Lebzeiten so verfügen können sollte, ...