Leitsatz
1. Besteht der Verdacht, dass ein Erblasser im maßgeblichen Zehn-Jahres-Zeitraum Zuwendungen von seinem Bankkonto oder seinem Depot schenkungsweise an Dritte erbracht hat, so ist der Erbe verpflichtet, von seinem Auskunftsrecht gegenüber der Bank Gebrauch zu machen, um eventuelle Zuwendungsempfänger zu ermitteln.
2. Zu den vom Erben anzustellenden Ermittlungen gehört insbesondere auch die Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen Zehn-Jahres-Zeitraum und die Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zugrunde liegen (könnten).
3. Aufwandsentschädigungen der Banken in Höhe von insgesamt 1.500,00 EUR sind angesichts des in Rede stehenden Zehn-Jahres-Zeitraums nicht unverhältnismäßig.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 26. Januar 2016 – 19 W 78/15
Aus den Gründen
Das Landgericht ist (LGB 5 f) zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag der Gläubigerin gem. § 888 ZPO zulässig und begründet ist.
1. Was die Zulässigkeit des Antrags betrifft, so ist die Auskunftsverpflichtung nach § 2314 Abs. 1 BGB auf eine unvertretbare Handlung gerichtet, deren Vollstreckung nach § 888 ZPO zu erfolgen hat (vgl. nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.1.2014 – 19 W 3/14, Rn 7 bei juris).
2. Zu Recht ist das Landgericht (LGB 5 f) zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Erfüllungseinwand des Schuldners entgegensteht, dass dieser nicht im zumutbaren Umfang Nachforschungen angestellt hat, ob pflichtteilsergänzungsbedürftige Schenkungen der Erblasser in den letzten zehn Jahren erfolgt sind.
a) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es solche gegeben hat, hat das Landgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise darin gesehen, dass die Konten der Erblasser zum Stichtag nahezu keine Guthaben aufgewiesen haben, obwohl die Erblasser unstreitig zumindest monatliche Einkünfte iHv 1.720,00 EUR hatten und es somit nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheint, dass im Zehn-Jahres-Zeitraum vor ihrem Tod – gegebenenfalls auch nur geringfügige Beträge – verschenkt wurden.
Besteht nun aber – wie vorliegend – der Verdacht, dass ein Erblasser im maßgeblichen Zehn-Jahres-Zeitraum Zuwendungen von seinem Bankkonto (oder seinem Depot) schenkungsweise an Dritte erbracht hat, so ist der Erbe – hier: der Schuldner – verpflichtet, von seinem Auskunftsrecht gegenüber der Bank Gebrauch zu machen, um eventuelle Zuwendungsempfänger zu ermitteln (vgl. Herzog in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 2314 Rn 29).
Auf die vom Schuldner angebotene Abtretung der Auskunftsansprüche gegen die Banken (GA 200) muss sich die Gläubigerin hierbei nicht verweisen lassen, da § 2314 Abs. 1 BGB eine originäre Auskunftspflicht des Erben vorsieht.
b) Zu den vom Schuldner anzustellenden Ermittlungen gehört insbesondere auch die Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen Zehn-Jahres-Zeitraum und die Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zugrunde liegen (könnten) (OLG Koblenz, Beschl. v. 18.3.2014 – 2 W 495/13, NJW 2014, 1972, 1973).
Selbst wenn man zugunsten des Schuldners unterstellte, dass ihm die Banken im vorliegenden Fall Aufwandsentschädigungen iHv insgesamt 1.500,00 EUR berechnen würden, wäre dies angesichts des in Rede stehenden Zehn-Jahres-Zeitraums nicht unverhältnismäßig.
c) (...)
Anmerkung
Dem Beschluss lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der Erbe bzw. Erbeserbe seiner beiden Eltern war zur Vorlage zweier privatschriftlicher Nachlassverzeichnisse verpflichtet. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem Mehrfamilienhaus. Nach Erlass eines Teil-Urteils hat der Erbe zwei Nachlassverzeichnisse vorgelegt, zu deren Erstellung die Auskunftsberechtigte nicht hinzugezogen worden war, obwohl sie dies von Anfang an verlangt hatte. Hierauf hat die Auskunftsberechtigte die Vollstreckung aus dem Teil-Urteil eingeleitet. In der Folge hat der Erbe in Anwesenheit der Auskunftsberechtigten zwei Verzeichnisse aufgenommen; allerdings lagen bei diesem Termin nicht die vollständigen Kontoauszüge der letzten zehn Lebensjahre der beiden Erblasser vor. Das Landgericht Hechingen hat deshalb die Auskunftsansprüche der Berechtigten als nicht erfüllt angesehen und dem Erben ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft angedroht. Der hiergegen eingelegten Beschwerde des Erben hat das Landgericht nicht abgeholfen; das OLG Stuttgart hat die sofortige Beschwerde des Erben zurückgewiesen.
Das OLG Stuttgart spricht in seiner Entscheidung mehrere im Pflichtteilsrecht praxisrelevante Punkte an.
Zunächst hält es fest, dass der Erbe verpflichtet ist, von seinem Auskunftsrecht gegenüber Banken und Sparkassen Gebrauch zu machen, wenn der Verdacht besteht, dass ein Erblasser in seinen letzten zehn Lebensjahren Zuwendungen von seinem Bankkonto oder Depot schenkungsweise an Dritte erbracht hat. Dabei erteil...