Der Anfall einer Erbschaft kann im sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnis eine wesentliche Änderung der Verhältnisse bewirken. Es besteht eine Verpflichtung zur Information des Leistungsträgers, weil es für "jeden vernünftig denkenden SGB II-Leistungsbezieher auf der Hand liegt, dass sich der Zufluss eines erheblichen Geldbetrages auf bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen auswirken kann." Das Verschweigen der Erbschaft wird von der Rechtsprechung als zumindest grob fahrlässig angesehen und führt zur Leistungsaufhebung und Rückforderung.
Die Anzahl der Entscheidungen, bei denen es um verbrauchte bzw. verprasste Erbschaftsmittel geht, steigt an. Grundlegend hatte dazu das BSG erstmals in 2013 Ausführungen gemacht.
Der Fall: Die verprasste Erbschaft I
Damals hatte der Kläger Arbeitslosengeld II (Hartz-IV) bezogen. Zuletzt waren Leistungen für die Zeit vom 1/2009 bis 6/2009 bewilligt worden. Nach Zufluss iHv ca. 6.500 EUR aus einer Erbschaft hob das Jobcenter die Bewilligung im Februar 2009 ab 2/2009 auf und kündigte an, die als einmalige Einnahme zu berücksichtigende Erbschaft für 7 Monate auf den Leistungsanspruch des Klägers anzurechnen. Im März 2009 beantragte der Kläger erneut Leistungen. Er habe die Erbschaft vollständig verbraucht und sei hilfebedürftig. Er legte Belege über 4.900 EUR für die Anschaffung einer Kamera, den Ersatz von Möbeln und eines Fernsehers, für Kleidung, einen Laptop und eine Pauschalreise vor. Das Jobcenter lehnte diesen Antrag ab. Ungeachtet des Verbleibs eines Restbetrags aus der Erbschaft bestehe ein Anspruch auch dann nicht, wenn die Mittel frühzeitig verbraucht seien.
Das Sozialgericht wies die Klage gegen die Versagung von Leistungen ab. Das LSG erkannte ohne Anrechnung von Einkommen (§§ 11 ff SGB II) einen Anspruch auf Leistungen zu. Die Erbschaft sei bei Antragstellung vollständig verbraucht gewesen. "Bereite" Mittel zum Lebensunterhalt hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine fiktive Anrechnung von Mitteln komme nicht in Betracht.
Das BSG hat diese Entscheidung bestätigt und damit erneut ein Zeichen gegen die beständigen Versuche der Praxis gesetzt, verschuldete Bedürftigkeit mit Leistungsverweigerung zu ahnden. Erste nachhaltige Auswirkungen beginnen sich abzuzeichnen.
Das Verhalten des Klägers kollidiert mit den Prinzipien der Selbsthilfe und der Subsidiarität. Der Hilfebedürftige ist verpflichtet, seine Mittel für sich zu verwenden. Das gilt sogar dann, wenn er sich dadurch außerstande setzt, bestehende Verpflichtungen zu erfüllen. Aber: Darf der Staat den Verstoß durch Leistungsverweigerung ahnden?
Für eine Leistungsverweigerung aufgrund verschuldeter Bedürftigkeit gibt es im SGB II keine Rechtsgrundlage. Wenn Mittel tatsächlich nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfü-gung stehen, ist deshalb nach der Entscheidung des BSG ein Leistungsanspruch nicht ausgeschlossen (Faktizitätsprinzip/Bedarfsdeckungsgrundsatz). Das BSG bestätigt damit erneut, dass die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten abzuwenden gewesen wäre, mit Art. 1 GG iVm Art. 20 GG nicht vereinbar ist. Einkommen darf nicht "fiktiv" berücksichtigt werden, sondern es muss tatsächlich geeignet sein, die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. Zu prüfen ist also immer, ob im Zeitpunkt der Antragstellung noch "bereite Mittel" vorhanden sind, die geeignet sind, den konkreten Bedarf zu decken. Ist das nicht der Fall, besteht mangels "bereiter" Mittel ein Anspruch.
Das Ergebnis ist richtig, denn das SGB II kennt eine Verschuldensregel vergleichbar § 254 BGB nicht. Das BSG hat zutreffend erneut darauf hingewiesen, dass für das unerwünschte Verhalten des Antragstellers auf das Leistungsstörungsrecht des SGB II zurückgegriffen werden muss. Es gelten die Kostenersatzregeln der §§ 34, 34 a SGB II und die Leistungsherabsetzungsregeln der §§ 31 Abs. 2 Nr. 2, 31a SGB II. Das Jobcenter kann gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB II gegen Ansprüche von Leistungsberechtigten auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv 30 % des Regelbedarfs des Leistungsberechtigten mit einem Anspruch nach § 34 SGB II aufrechnen.
Insbesondere wenn dem Leistungsberechtigten aus vorangegangenen Bezugszeiträumen oder nach entsprechender Aufklärung durch den Träger der Grundsicherung bekannt ist oder bekannt sein muss, in welcher Weise der Einsatz von Mitteln von ihm erwartet wird, kann nach dem ausdrücklichen Hinweis des BSG ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II wegen sozialwidrigen Verhaltens in Betracht kommen.
Das LSG Sachsen-Anhalt folgt der Linie des BSG für die Zuwendung von Geld, das die Beschenkte für eine Reise verbraucht hatte. Das SG Berlin hat dies beim Verbrauch von ererbten 93.000 EUR "ohne Zukunftsplanung, ohne Blick auf und ohne Gewissen wegen einer späteren Hilfebedürftigkeit" entschieden.
Auf der sicheren Seite ist der sich sehenden Auges bedürftig Machende deswegen aber nicht. Dav...