Leitsatz
Überträgt der Sicherungsnehmer die ihm abgetretenen Ansprüche aus einer Lebensversicherung nach dem Tode des Versicherungsnehmers auf dessen Erben zurück, so lebt die "für die Dauer der Abtretung" widerrufene Bezugsrechtsbestimmung bei dem ursprünglich als berechtigt Benannten wieder auf (Fortführung von BGH, 27. Oktober 2010, IV ZR 22/09, BGHZ 187, 220).
BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 – IV ZR 196/10
Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auszahlung der Todesfallleistung aus einer Kapitallebensversicherung in Anspruch.
Der Kläger und sein Bruder, der Streithelfer der Beklagten, sind die beiden Erben ihres am 11. Dezember 2005 verstorbenen Vaters (im Folgenden: Erblasser). Dieser hatte seit Dezember 1993 eine Kapitallebensversicherung bei der Beklagten mit einer Versicherungssumme von 71.770,04 EUR (= 140.370 DM) unterhalten und als Bezugsberechtigten für die Todesfallleistung widerruflich den Streithelfer eingesetzt.
Zur weiteren Sicherung einer Darlehensforderung (neben einer Grundschuldbestellung und einer Gehaltsabtretung) trat der Erblasser Anfang Juni 1994 sämtliche Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an die B. Bank AG (im Folgenden: B. ) ab. Der Formular-Abtretungsvertrag enthielt unter anderem folgende Regelungen:
Zitat
"1. Sicherungszweck "
Durch diesen Vertrag werden die bestehenden und künftigen – auch bedingten und befristeten – Ansprüche gesichert, die der Bank aus der Gewährung des vorgenannten Kredites/Darlehens in Höhe des Auszahlungsbetrages von DM 368.560,13 gegen den Kreditnehmer zustehen. Das gilt auch im Fall der Prolongation (Laufzeitverlängerung) und Umschuldung des Kredites/Darlehens.
…
3. Widerruf von Bezugsrechten
Etwaige Bezugsrechte werden, soweit sie den Rechten der Bank entgegenstehen, für die Dauer dieser Abtretung widerrufen. Ein Überschuß aus der Verwertung der Versicherungsansprüche ist von der Bank im Erlebensfall an den Sicherungsgeber und im Todesfall an den Bezugsberechtigten auszuzahlen.
…
8. Sicherheitenfreigabe
8.1 Nach Befriedigung ihrer durch die Abtretung gesicherten Ansprüche hat die Bank die ihr abgetretenen Rechte auf den Sicherungsgeber – im Fall eines Todes an den bisherigen Bezugsberechtigten – zurückzuübertragen und einen etwaigen Übererlös aus der Geltendmachung der Sicherheit herauszugeben. …
8.2 Die Bank ist schon vor vollständiger Befriedigung ihrer durch die Abtretung gesicherten Ansprüche verpflichtet, auf Verlangen die ihr abgetretenen Rechte sowie auch etwaige andere, ihr bestellte Sicherheiten (z. B. übereignete Sachen, Grundschulden) nach ihrer Wahl an den jeweiligen Sicherungsgeber ganz oder teilweise freizugeben, wenn der realisierbare Wert sämtlicher Sicherheiten 115% der gesicherten Ansprüche der Bank nicht nur vorübergehend überschreitet.“
Die B. zeigte unter dem 15. Juni 1994 die Abtretung der Beklagten an. Das Darlehen wurde 1999 unter Beibehaltung der Sicherungsabtretung bis zum 31. August 2007 prolongiert. Im Zeitpunkt des Todes des Erblassers belief sich die Darlehensrestschuld auf rund 140.000 EUR. Die S. AG (im Folgenden: S. ) als Rechtsnachfolgerin der B. erklärte mit einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 1. August 2006 unter anderem:
Zitat
"Gemäß unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Abs. 16.2 geben wir folgende Sicherheit frei: "
Lebensversicherung Nr. … bei der … [Beklagten]
Wir übertragen hiermit alle Rechte und Ansprüche an Sie zurück.
…
Herr … [der Streithelfer] erhält dieses Schreiben mit gleicher Post.“
Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte die S. der Beklagten mit, sie habe die Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung "auf die Erben des Versicherungsnehmers" zurückübertragen, und übersandte die Originalversicherungspolice. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Restschuld aus dem Darlehensvertrag noch 131.724,05 EUR. Die Beklagte zahlte dem Streithelfer auf dessen Anforderung hin die Versicherungssumme zuzüglich Überschussbeteiligung in Höhe von insgesamt 73.868,24 EUR aus. Das Verlangen des Klägers, den Betrag an die Erbengemeinschaft auszuzahlen, lehnte die Beklagte ab.
Der Kläger ist der Auffassung, die Versicherungsleistung stehe der Erbengemeinschaft zu. Das Bezugsrecht des Streithelfers sei im Zuge der Abtretungserklärung widerrufen worden. Der Auszahlungsanspruch habe der Bank zugestanden und sei mit der Freigabe in den Nachlass übergegangen.
Hingegen meinen die Beklagte und der Streithelfer, dass diesem die Todesfallleistung gebühre. Die Bank als Sicherungsnehmerin habe durch die Aufgabe der Rechte aus der Abtretung zu erkennen gegeben, dass der Sicherungszweck entfallen sei. Damit stehe die Bezugsberechtigung den Rechten der Bank nicht mehr entgegen. Das müsse sich zugunsten des Bezugsberechtigten auswirken, wenn nach dem Tod des Versicherungsnehmers das besicherte Darlehen fortgeführt werde und der Sicherungsfall nicht eintrete.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufungen der Beklagten und des Streithelfers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Streithelfer seinen Klageabweisungsa...