Leitsatz
Auch wenn der Fiskus erst gemäß § 1936 BGB als gesetzlicher Erbe galt, steht dem wahren Erben gegen diesen als Erbschaftsbesitzer neben dem Anspruch auf Herausgabe des Nachlasses auch ein Zinsanspruch gemäß den §§ 2018, 2021, 812 Abs. 1, 818 BGB zu.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2015 – IV ZR 438/14
Sachverhalt
Die Klägerinnen verlangen von dem beklagten Land (iF: Beklagter) Zinsen aus der von diesem vereinnahmten Erbschaft nach der am 31.1.1980 verstorbenen Erblasserin Bertha R. Nach dem Tod der Erblasserin stellte das Nachlassgericht am 1.3.1983 fest, dass der Beklagte Erbe ist, weil gesetzliche Erben nicht ermittelt werden könnten. Die Ausfertigung dieses Beschlusses erhielt der Beklagte am 3.3.1983. Den Geldbetrag aus der Erbschaft nahm er am 22./25.4.1983 in Besitz. Auf der Grundlage der rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts steht nunmehr fest, dass die Erblasserin zunächst von Elisabetha Kunigunda R., nachverstorben am 14.6.1982, und Hildegard B., nachverstorben am 22.3.2006, je zur Hälfte beerbt wurde. Elisabetha Kunigunda R. wurde von Hildegard B. beerbt, diese wiederum von den Klägerinnen, ihren Töchtern, je zur Hälfte.
Die Klägerinnen haben den Beklagten als Erbschaftsbesitzer – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – auf Zahlung in Höhe von 57.348,04 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % jährlich seit dem 25.4.1983 in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerinnen 57.348,04 EUR zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Nach Erfüllung der Hauptforderung durch den Beklagten am 30.4.2014 haben die Klägerinnen mit der Berufung ihren Anspruch auf Jahreszinsen von 4 % aus 57.348,04 EUR seit dem 25.4.1983 weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Bundesgerichtshof teilweise zugelassenen Revision machen die Klägerinnen noch einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen von 4 % jährlich aus 57.348,04 EUR vom 22.3.2003 bis zum 30.4.2014 geltend.
Aus den Gründen
Die Revision ist begründet; sie führt im angefochtenen Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, etwaige Bereicherungsansprüche auf Herausgabe bzw. Wertersatz von Nutzungen, vor allem auch unter dem Blickwinkel von Anlage- oder ersparten Kreditzinsen, seien zum ganz überwiegenden Teil verjährt. Außerdem hätten die Klägerinnen ihre Forderung nicht schlüssig dargelegt. Die Voraussetzungen einer verschärften Haftung des Beklagten nach den §§ 2023, 2024 BGB seien nicht ersichtlich und würden von der Klägerseite auch nicht behauptet. Der Fiskus als Erbschaftsbesitzer sei ohnehin nicht zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet. Das gesetzliche Erbrecht des Staates habe im Wesentlichen Ordnungsfunktion, um herrenlose Nachlässe zu vermeiden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung zu sichern. Infolgedessen leuchte eine Privilegierung des Fiskus für diese Fälle ein. Anderenfalls würden die Grenzen zu einem Anspruch aus Amtshaftung verwischt. Ferner hätten die Klägerinnen hinsichtlich erzielter Nutzungen des Beklagten keinen schlüssigen Sachvortrag unterbreitet. Zudem stehe nach dem Vorbringen des Beklagten im Raum, dass mit dem vereinnahmten Nachlass eine Investition bestritten worden sei, woraus Nutzungen allenfalls innerhalb längst verjährter Zeit oder nur nicht kommerzialisierbare Gebrauchsvorteile erwachsen sein könnten. Auch der Gesichtspunkt einer sekundären Behauptungslast des Beklagten helfe den Klägerinnen nicht weiter. Schließlich könne sich die öffentliche Hand unter dem Aspekt ersparter Kreditzinsen auf Entreicherung berufen.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand.
1. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, erbrechtliche Herausgabeansprüche aus den §§ 2018, 2021, 812 Abs. 1, 818 Abs. 1 und 2 BGB gegen den Fiskus erstreckten sich nicht auf Zinsen.
a) Grundsätzlich erfasst der Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer auch Zinsen. § 2021 BGB verweist auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Gemäß § 818 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Verpflichtung zur Herausgabe auch auf die gezogenen Nutzungen. Hierunter fallen zunächst Anlagezinsen. Der Bundesgerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, für den Umfang der Bereicherungshaftung je nach der Verwendung des rechtsgrundlos erlangten Geldes zwischen erzielten oder ersparten Zinsen zu unterscheiden. Hat der Bereicherungsschuldner das erlangte Geld zur Tilgung von Schulden verwendet, hat er die dadurch ersparten Zinszahlungen entsprechend § 818 Abs. 1 und 2 BGB als Vorteile aus dem Gebrauch des Geldes an den Bereicherungsgläubiger herauszugeben (BGH, Urt. v. 6.3.1998 – V ZR 244/96). Auch für die Herausgabepflicht des Erbschaftsbesitzers besteht kein entscheidender Unterschied, ob er das erlangte Geld zinsbringend anlegt und damit sein Vermögen vermehrt, oder ob er eine Verminderung seines Vermögens vermeidet, indem er eine eigene verzinsliche Schuld ablöst (BGHZ 138, 160, 164 ff).