Witwer W hat die beiden Kinder A und B. B soll auf den Pflichtteil gesetzt werden. W ist Eigentümer eines Grundstücks im Wert von 50.000 EUR. Die Tochter A hat sich langjährig, insbesondere seit dem Tod der Mutter, um W gekümmert. Eine Entlohnung hierfür war nie ein Thema für die sehr familiär denkende Tochter. Der angemessene Wert dieser Leistungen bewegt sich in der Größenordnung von 40.000 bis 50.000 EUR. Der Berater von W schlägt vor, diese langjährigen Dienste nachträglich durch Übertragung des Grundstücks zu entgelten, sodass insoweit keine Schenkung gegeben wäre. Rechtlich zulässig?
Lösung: Der Schenkungsbegriff des § 2325 BGB entspricht grundsätzlich demjenigen des § 516 BGB. Bei auf Austausch gerichteten Verträgen sind Verknüpfungen mit Gegenleistungen auf den drei möglichen Ebenen zu untersuchen: 1. synallagmatisch iS eines gegenseitigen Vertrags gem. den §§ 320 ff BGB, 2. konditional in dem Sinn, dass das Eingehen einer Verpflichtung oder das Bewirken einer Leistung eine Bedingung der Zuwendung ist, 3. kausal, indem die Zuwendung rechtlich und nicht nur tatsächlich oder wirtschaftlich auf der Geschäftsgrundlage beruht, dass dafür eine Verpflichtung eingegangen oder eine Leistung bewirkt wird. Alle drei Varianten sind vorliegend nicht einschlägig, insbesondere nicht die Fallgruppe der vorweggenommenen Erfüllungshandlung, denn hierfür wäre erforderlich, dass die früheren Zuwendungen der Tochter in Form der Pflege nach dem Willen der Beteiligten nicht ohne Entschädigung bleiben sollten und in der erkennbaren Absicht erbracht wurden, für sie eine Entlohnung zu fordern.
Daher stellt sich die Frage, ob es rechtlich zulässig ist, die Leistungen der Tochter nachträglich durch die Übertragung des Grundstücks zu entgelten, sodass die Übertragung keine belohnende Schenkung ist, die – im Rahmen des § 2330 BGB – ergänzungspflichtig wäre. Dies ist nach hM der Fall und wurde auch in Fällen anerkannt, in denen es um die nachträgliche Vergütung bereits unentgeltlich erbrachter Pflegeleistungen ging. Nach aA ist es dagegen nicht möglich, Leistungen, die in der Vergangenheit – und damit abgeschlossen – unentgeltlich vorgenommen worden sind, durch nachträgliche Vereinbarung zu entgeltlichen zu machen. Skepsis äußert z. B. G. Müller, die vorschlägt, der BGH möge seine verfehlte restriktive Rechtsprechung zur Pflichtschenkung nach § 2330 BGB aufgeben, um auch in diesen Fällen ein gerechtes Ergebnis erzielen zu können. J. Mayer sieht weitreichende nachträgliche Manipulationsmöglichkeiten.
Der BGH hat es für zulässig erachtet, für eine ursprüngliche Grundstücksschenkung nachträglich ein volles Entgelt für dieses Grundstück und die daraus vom Erwerber bereits gezogenen Nutzungen zu vereinbaren, sodass dem Pflichtteilsberechtigten kein Ergänzungsanspruch wegen der ursprünglichen Schenkung zusteht. Er führt aus: "Dass der Pflichtteilsberechtigte auch nachträgliche Vereinbarungen über die Entgeltlichkeit von lebzeitigen Geschäften des Erblassers hinnehmen muss, solange zwischen Leistung und Gegenleistung kein auffallendes grobes Missverhältnis besteht, entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung."
Sind Leistung und Gegenleistung gleichwertig, so hat der Pflichtteilsberechtigte diese vertragsautonome Gestaltung zu akzeptieren, auch wenn sie ihm schädlich ist; der Schutz des Pflichtteilsberechtigten nach den §§ 2325 ff BGB muss hier hinter der Vertragsfreiheit zurückstehen. Voraussetzung ist, dass tatsächlich eine (Vor-)Leistung erbracht worden ist, um nicht eine verschleierte und damit eine reine oder eine gemischte Schenkung zu beinhalten. Bei der Bewertung von Leistung (erbrachte Pflege) und Gegenleistung (Grundstücksübergabe) ist aufgrund der engen familiären Verbundenheit ein nicht unerheblicher Bewertungsspielraum zugunsten der Vertragsparteien gegeben, ehe eine Missverhältnisgrenze überschritten ist.
Offen sind neben der schenkungsteuerlichen Folge einer nachträglichen Entgeltlichkeit auch Fragen des Einkommensteuer- und Sozialrechts.