In praktischer Hinsicht ist jedoch fraglich, was konkret mit der "Hinzuziehung zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses" gemeint ist. Soweit ersichtlich, ist die Ausgestaltung des Rechtes zur Hinzuziehung zur Aufnahme des Nachlassverzeichnis bisher in der Rechtsprechung nicht konkretisiert worden.
a) Auslegung nach dem Wortlaut
Erster Anhaltspunkt für die Auslegung des Rechtes auf Hinzuzieung zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses ist der Wortlaut der Vorschrift. Dieser spricht wörtlich davon, dass der Pflichtteilsberechtigte verlangen könne, "zu der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugezogen" zu werden. Einen konkreten Aufschluss darüber, was mit der "Aufnahme des Verzeichnisses" gemeint ist, gibt der Wortlaut der Vorschrift somit nicht.
Es ist insofern nicht erkennbar, dass dem Pflichtteilsberechtigten das Recht zustehen soll, sämtliche Ermittlungsschritte des Erben oder des Notars zu begleiten. Ebenfalls nicht erkennbar ist, dass dem Pflichtteilsberechtigten hier ausschließlich das Recht zustehen soll, an dem (Beurkundungs-) Termin, in welchem die Ergebnisse der Recherchen präsentiert und fixiert werden, anwesend zu sein.
b) Auslegung anhand der Historie
Es bedarf daher weitergehend eines genaueren Blicks in die Geschichte der Entstehung der in Rede stehenden Regelung des § 2314 Abs. 1 S. 2 HS 1 BGB.
Nach den Protokollen zur Einführung des BGB sollte dem Pflichtteilsberechtigten mit den in § 1988 Abs. 1 BGB aF konstatierten Auskunftspflichten ein Mittel zur Hand gegeben werden, mit welchen der Pflichtteilsanspruch verwirklicht werden könne. Aufgrund der nach § 1988 Abs. 1 BGB aF zu erteilenden Auskünfte sei der Pflichtteilsberechtigte sodann in der Lage, sich über den Wert des Nachlasses zu unterrichten.
Ergänzend wurde der Antrag gestellt, die Auskunftspflichten um einen Anspruch auf Hinzuziehung zur Erstellung des Verzeichnisses, einen Wertermittlungsanspruch sowie das Recht, ein amtlich aufgenommenes Nachlassverzeichnis zu verlangen, zu ergänzen. Dieser Antrag wurde angenommen. Die Annahme erfolgte insbesondere aus folgenden Erwägungen:
"[...] Der Pflichtteilsanspruch sei aber nach der Auffassung des Entw. ein reiner Geldanspruch. Die Höhe dieses Anspruchs hänge wesentlich von dem Werthe der Nachlassmasse ab. Entscheidend sei der Zeitpunkt des Erbfalles. Bis zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruches könne sich indessen der Werth der zum Nachlasse gehörenden Gegenstände wesentlich verändern; eine gleiche Veränderung könne auch in dem Bestande der Erbschaft als solcher eintreten. Der Pflichtteilsberechtigte und der Erbe haben deswegen ein erhebliches Interesse, den Bestand und den Werth des Nachlasses möglichst bald nach dem Eintritte des Erbfalls festzustellen. Es müssen Mittel gegeben sein, diesen Zweck zu erreichen und das führe dahin, auch dem Pflichtteilsberechtigten das Recht zu geben, zur Herstellung des Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugelassen zu werden und eine Werthermittlung zu verlangen. [...]"
Weitergehende Feststellungen und Ausführungen, insbesondere wie die Hinzuziehung zur Herstellung des Verzeichnisses zu erfolgen hat, wurden nicht getroffen. Auch aus der Entstehungsgeschichte und Begründung der Aufnahme des Anspruchs auf Hinzuziehung zur Aufnahme des Verzeichnisses ist daher kein konkreter Rückschluss auf den Inhalt des Rechtes zu ziehen.
c) systematische und teleologische Auslegung
Nach alledem ist ein genauerer Blick auf Systematik sowie Sinn und Zweck der Hinzuziehung des Pflichtteilsberechtigten zur Aufnahme des (notariellen) Nachlassverzeichnisses erforderlich, um eine abschließende Wertung der konkreten Ausgestaltung des Anspruchs auf Hinzuziehung zur Aufnahme des (notariellen) Nachlassverzeichnisses vornehmen zu können.
Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch auf Aufnahme des (notariellen) Nachlassverzeichnisses in den ehemals vom Erblasser bewohnten Räumlichkeiten hat. Der Notar ist dagegen dem Grunde nach gehalten, die Wohnung des Erblassers zu besichtigen und dort die zum Nachlass gehörenden Gegenstände zu besichtigen und zu erfassen. Darüber hinaus besteht im Rahmen der Erstellung des Nachlassverzeichnisses kein generelles Recht des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage sämtlicher zum Nachlass gehörender Belege. Der Notar wiederum ist zur Ermittlung des Nachlassbestands unter anderem dazu verpflichtet, sämtliche zum Nachlass gehörenden Belege zu sichten. Dies gilt unter Umständen auch für die Kontoauszüge der letzten zehn Jahre.
Im Übrigen gewährt der Anspruch auf Hinzuziehung des Pflichtteilsberechtigten zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses keinerlei Recht auf Mitwirkung selbigem an der Erstellung des Verzeichnisses. Er selbst...