Nach alledem ist ein genauerer Blick auf Systematik sowie Sinn und Zweck der Hinzuziehung des Pflichtteilsberechtigten zur Aufnahme des (notariellen) Nachlassverzeichnisses erforderlich, um eine abschließende Wertung der konkreten Ausgestaltung des Anspruchs auf Hinzuziehung zur Aufnahme des (notariellen) Nachlassverzeichnisses vornehmen zu können.

Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch auf Aufnahme des (notariellen) Nachlassverzeichnisses in den ehemals vom Erblasser bewohnten Räumlichkeiten hat.[18] Der Notar ist dagegen dem Grunde nach gehalten, die Wohnung des Erblassers zu besichtigen und dort die zum Nachlass gehörenden Gegenstände zu besichtigen und zu erfassen.[19] Darüber hinaus besteht im Rahmen der Erstellung des Nachlassverzeichnisses kein generelles Recht des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage sämtlicher zum Nachlass gehörender Belege.[20] Der Notar wiederum ist zur Ermittlung des Nachlassbestands unter anderem dazu verpflichtet, sämtliche zum Nachlass gehörenden Belege zu sichten.[21] Dies gilt unter Umständen auch für die Kontoauszüge der letzten zehn Jahre.

Im Übrigen gewährt der Anspruch auf Hinzuziehung des Pflichtteilsberechtigten zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses keinerlei Recht auf Mitwirkung selbigem an der Erstellung des Verzeichnisses.[22] Er selbst ist daher weder berechtigt, die Ermittlungen zu kommentieren und durch eigene Hinweise zu ergänzen, geschweige denn eigene Ermittlungen anzustrengen.[23] Der Pflichtteilsberechtigte ist somit ausschließlich stiller Beobachter der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses.

Nach alledem kann und soll der Anspruch auf Hinzuziehung zur Aufnahme des privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses den Pflichtteilsberechtigten ausschließlich in die Lage versetzen, einzuschätzen, ob der Erbe das Nachlassverzeichnis mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt hat.[24]

Gleiches gilt für die Hinzuziehung zur Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses. Dem Pflichtteilsberechtigten wird durch die Hinzuziehung zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses ermöglicht, die Ermittlungen des Notars nachzuvollziehen und insofern zu beurteilen, ob dieser sein Ermessen im Hinblick auf seine Ermittlungspflichten ordnungsgemäß ausgeübt hat.

Durch die Hinzuziehung zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses erhält der Pflichtteilsberechtigte somit die Möglichkeit, die Notwendigkeit der Geltendmachung weiterer Rechte wie beispielsweise des Verlangens auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geltend zu machen. Ebenso erhält er die Möglichkeit, die Erfüllung des Anspruchs auf Vorlage eines ordnungsgemäßen notariellen Nachlassverzeichnisses zu kontrollieren und ggf. zu belegen, weshalb dies nicht der Fall ist.[25]

[18] MüKo-Lange, § 2314 Rn 29, Rn 33.
[19] LG Schwerin, ZEV 2012, 425.
[20] Palandt-Weidlich, § 2314 Rn 10; OLG Hamm, Urteil vom 31.01.2012, Aktenzeichen 10 U 91/11 – zitiert nach juris; Fleischer/Horn, ZErb 2013, 105.
[21] OLG Saarbrücken, ZEV 2011, 373.
[22] MüKo-Lange, § 2314 Rn 33; KG FamRZ 1996, 767.
[23] KG FamRZ 1996, 767.
[24] Praxiskommentar Erbrecht – Riedel, § 2314 Rn 29.
[25] Praxiskommentar Erbrecht – Riedel, §2314 Rn 29.

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