Zur Berechnung seiner Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß §§ 2303, 2325 ff BGB ist der Pflichtteilsberechtigte auf die Mitwirkung des Erben angewiesen. Hierzu gewährt § 2314 BGB dem Pflichtteilsberechtigten mehrere nebeneinanderstehende, sich nicht bedingende Ansprüche gegenüber dem Erben.

Entsprechend § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten durch Vorlage eines geordneten Verzeichnisses Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers zum Zeitpunkt dessen Versterbens zu erteilen. Dieses Verzeichnis hat insbesondere Angaben zu allen Aktiv- und Passivpositionen sowie pflichtteilsergänzungsrelevanten (teil-) unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers (sog. fiktiver Nachlass) zu enthalten.[1]

Daneben gewährt § 2314 BGB einen Anspruch auf Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Nachlassverzeichnisses.[2] Hierbei handelt sich im Verhältnis zum Anspruch auf Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses um ein Aliud, weshalb der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich auch nach Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses einen Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses hat.[3] Nur bei Rechtsmissbräuchlichkeit des Verlangens eines notariellen Nachlassverzeichnisses kann dessen Vorlage verweigert werden.[4]

Den Notar treffen bei Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses erhebliche, durch die Rechtsprechung gerade innerhalb der letzten Jahre konkretisierte – und erweiterte – Ermittlungspflichten.[5] Auch wenn der Notar grundsätzlich zunächst den Erben über den Bestand des Nachlasses zu befragen hat und dadurch erste Erkenntnisse erhält, ist er dazu angehalten, die Angaben des Erben durch eigene Ermittlungen zu verifizieren und ggf. zu ergänzen.[6] Hierzu hat er unter anderem Belege, welche dem Erben bislang nicht vorlagen, anzufordern und sich insbesondere den Kontenbestand zum Zeitpunkt des Versterbens des Erblassers durch Vorlage der Meldung an die Erbschaftsteuerstelle gemäß § 33 ErbStG bestätigen zu lassen. Er hat im Zweifel auch die Kontoauszüge der letzten zehn Jahre zu sichten und sich daraus ergebenden Hinweisen auf weitere Konten, Vermögenswerte und auch Zuwendungen an Dritte nachzugehen.[7] Ebenso hat er nach Möglichkeit die zuletzt bewohnte Wohnung des Erblassers aufzusuchen und den Bestand der dort vorhandenen Besitztümer des Erblassers zu ermitteln.[8]

Abschließend steht dem Pflichtteilsberechtigten nach § 2314 BGB ein Anspruch gegen den Erben auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu. Dieser besteht insbesondere dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte aufgrund des Verhaltens des Erben Grund zu der Annahme hat, dass die Aufstellung des Nachlasses nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde.[9] Fehlende Sorgfalt ist dem Erben bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses insbesondere dann vorzuwerfen, wenn nur eine schleppende Auskunftserteilung erfolgt[10] bzw. der Erbe seine Auskünfte mehrfach korrigiert oder auch widersprüchliche Angaben[11] macht.

[1] Praxiskommentar Erbrecht – Riedel, § 2314 Rn 12, 16.
[2] Palandt-Weidlich, § 2314 Rn 6, 7.
[3] MüKo-Lange, § 2314 Rn 4.
[6] OLG Saarbrücken, ZEV 2010, 416.
[7] OLG Bamberg, ZErb 2016, 293; LG Rottweil, ZEV 2008, 189; OLG Köln, ErbR 2013, 328; OLG München, ZErb 2016, 277.
[8] LG Schwerin, ZEV 2012, 425; Praxiskommentar Erbrecht – Riedel, § 2314 Rn 27.
[9] LG Oldenburg, ZErb 2009, 1; OLG Koblenz FamRZ 2003,193.
[11] OLG Braunschweig ErbR 2010, 232.

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