Leitsatz
Der befreite Vorerbe ist zur Vornahme entgeltlicher Verfügungen über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück berechtigt. Es ist von der Entgeltlichkeit der Verfügung auszugehen, wenn der Vorerbe seine Gründe für die Veräußerung nachvollziehbar angibt und keine begründeten Zweifel hinsichtlich der Pflichtmäßigkeit der Verfügung bestehen. Dieser Nachweis kann auch auf Grundlage von Erfahrungsgrundsätzen geführt werden. Behält sich der Vorerbe ein Recht an dem veräußerten Grundstück vor, so berechnet sich der Wert des veräußerten Grundstücks unter Abzug des Wertes des vorbehaltenen Rechtes. Es handelt sich nicht um eine Gegenleistung des Erwerbers.
OLG München, Beschluss vom 13. April 2018, – 34 Wx 420/17
Sachverhalt
Die Beteiligte zu 4 ist aufgrund testamentarischer Erbfolge im Grundbuch als Eigentümerin von Grundbesitz eingetragen. Das Grundstück ist bebaut mit einem voll unterkellerten Ferienhaus mit Erdgeschoss und nicht ausbaubarem Dachgeschoss und hat eine Wohnfläche von 75 m².
In Abteilung II unter lfd. Nr. 3 ist ein Nacherbenvermerk eingetragen wie folgt:
Zitat
Nacherbfolge ist angeordnet; Nacherbe des ... ist ... (Beteiligte zu 3); die Nacherbfolge tritt ein beim Tode oder bei Wiederverheiratung des Vorerben; Ersatznacherbfolge gem. § 2069 BGB ist angeordnet. Ersatznacherben sind die Abkömmlinge des Nacherben, soweit sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden; der Vorerbe ist befreit; gemäß Erbschein ...
Nacherbin ist die Beteiligte zu 3.
Mit Grundstückskaufvertrag unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts vom 17.10.2016 verkaufte die Beteiligte zu 4 den Grundbesitz an die Beteiligten zu 1 und 2. Als Gegenleistungen sind neben dem Kaufpreis von 449.000 EUR ein Wohnungsrecht und aufschiebend bedingt eine Rente vereinbart wie folgt:
Zitat
§ 4 Weitere Gegenleistungen
1. Wohnungsrecht
Der Käufer räumt dem Verkäufer, ... (Beteiligte zu 4), auf deren Lebensdauer das unentgeltliche Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht am Vertragsgrundbesitz ein.
Der Wohnungsberechtigte ist berechtigt, folgende Räume und Gebäudeteile unter Ausschluss des Eigentümers zu Wohnzwecken zu benutzen: alle Räume im Erdgeschoss und Untergeschoss.
Der Wohnungsberechtigte kann neben allen zum gemeinschaftlichen Gebrauch der Bewohner bestimmten Anlagen und Einrichtungen auch den Garten, den Keller und den Speicher mitbenutzen.
Die Ausübung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts kann Dritten nicht überlassen werden. Der Wohnungsberechtigte ist jedoch befugt, seine Familie sowie die zur Bedienung und Pflege erforderlichen Personen aufzunehmen.
Der Wohnungsberechtigte hat die gewöhnlichen Ausbesserungs- und Erneuerungsaufwendungen, also insbesondere die Schönheitsreparaturen für die Räume und Gebäudeteile zu tragen, die er allein benutzen darf.
[...]
Die Kosten und Lasten, die auf dem Grundstück und Gebäude ruhen, treffen den Eigentümer.
Die Wohnungsberechtigte trägt jedoch die Kosten und Lasten für Heizung, Strom, Wasser, Abwasser, Müllabfuhr, soweit sie die von dem Wohnungsrecht umfasste Wohnung betreffen.
[...]2. Rente
Aufschiebend bedingt für den Fall, dass Frau ... (Beteiligte zu 4) das vorbestellte Wohnungsrecht zu Lebzeiten aufgibt und im Grundbuch vollständig und vorbehaltlos löschen lässt, verpflichtet sich der heutige Käufer als Gesamtschuldner an den heutigen Verkäufer auf dessen Lebensdauer als Rente monatlich einen Betrag in Höhe von 500 EUR im Voraus, je bis zum 3. eines jeden Monats zu bezahlen, und zwar erstmals für den Monat nach der Löschung des Wohnungsrechts im Grundbuch.
[...]
Der als Rente jeweils zu zahlende Betrag soll wertbeständig sein. Er erhöht oder vermindert sich in demselben prozentualen Verhältnis, in dem sich der vom statistischen Bundesamt in Wiesbaden für jeden Monat festgestellte unveröffentlichte Verbraucherpreisindex für Deutschland (Basis 2000 = 100) gegenüber dem für den 1. Fälligkeitsmonat festzustellenden Index erhöht oder vermindert. Eine Erhöhung oder Verminderung des jeweils zu bezahlenden Betrags tritt jedoch erst dann ein, wenn die Indexveränderung zu einer Erhöhung der Verminderung des jeweils zahlenden Betrags um mindestens 10 % führt.
Unter Ziff. VIII, Grundbuchanträge, bewilligen und beantragen die Vertragsteile die Eintragung eines Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts als beschränkte persönliche Dienstbarkeit sowie einer Reallast zur Sicherung aller Ansprüche auf Zahlung der vereinbarten Rente.
Mit dem Antrag auf Eintragung einer Eigentumsvormerkung übersandte der Notar ein Verkehrswertgutachten eines von der Industrie- und Handelskammer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken. Dieses beziffert den Ertragswert des bebauten Grundstücks ohne Belastung mit 563.040 EUR und den Sachwert ohne Belastung mit 560.915 EUR. Der "Nießbrauch" am Objekt wird mit einem Wert von 137.416 EUR beziffert, der unter Berücksichtigung einer Jahresmiete von 10.800 und jährlichem Nutzungswert von 9.975 EUR für die Wohnfläche von 75 m² bei einem Leibrentenbarwertfaktor...