Leitsatz
Eine letztwillige Verfügung, mit der zum Erben die Person eingesetzt wird, die "sich bis zu meinem Tode um mich kümmert", ist nichtig.
OLG München, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 31 Wx 55/13
Sachverhalt
Der Erblasser ist am 30.4.2012 im Alter von 79 Jahren verstorben. Er war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Die Beteiligten zu 2, 3, 4 und 5 sind seine Brüder. Der Beteiligte zu 1, 6, 7 und 8 sind Neffen bzw. Nichten des Erblassers. Die Beteiligte zu 9 war seit etwa 20 Jahren die Lebensgefährtin des Erblassers. Im November 2011 erlitt der Erblasser einen Schlaganfall. Im Anschluss daran erteilte er dem Beteiligten zu 1 im November 2011 eine Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung. Es liegen u. a. folgende Testamente des Erblassers vor.
1. Notarielles Testament vom 28.10.2003, in dem der Erblasser die Beteiligten zu 1, 6, 7 und 8 als Erben zu je 1/4 eingesetzt und zugunsten der Beteiligten zu 9 ein Geldvermächtnis in Höhe von 5.200 EUR angeordnet hat.
2. Handschriftliches Testament vom 28.12.2010 mit folgendem Inhalt:
Zitat
"Testament "
H. S. (= Beteiligte zu 9) soll 2000 Eur erhalten Das S.-Kloster in A. bekommt 3000 Eur.
H. (= Beteiligter zu 1) bekommt die Fotosachen und meinem Anhänger.
P. (= Beteiligte zu 6) soll das Geschirr und die Betonmaschine bekomen.
S. (= Beteiligter zu 7) bekommt meine Schieausrüstung. Das Haus und meine anderen Sachen soll bekommen wer sich bis zu meinem Tode um mich
kümert. Sollte das nicht der Fall sein soll alles das S.-Kloster erhalten.
(Ort) 28.12.2010
Unterschrift“
Der Nachlass besteht aus ca. 16.000 EUR Geldvermögen und einem Wohnhaus im Wert von 89.000 EUR. Der Wert der Gebrauchsgegenstände des Erblassers beträgt ca. 4.000 EUR. Die Beteiligten zu 1 und 9 beantragten am 17.12.2012 aufgrund des Testaments vom 28.12.2010 zur Niederschrift des Nachlassgerichts jeweils einen Teilerbschein zu je 1/2. Zwischen den Beteiligten war streitig, wer in welchem Umfang sich um den Erblasser "gekümmert" hatte. Das Nachlassgericht führte zwei umfangreiche Anhörungstermine mit den Beteiligten durch. Es kam zu dem Schluss, dass die Beteiligten zu 1 und 9 das von dem Erblasser aufgestellte Kriterium in Bezug auf die Zuwendung des Hauses erfüllt haben, und stellte mit Beschluss vom 10.1.2013 die Tatsachen für die Erteilung der beantragten Teilerbscheine fest. Der Beteiligte zu 1 wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Berücksichtigung der Beteiligten zu 9 als Miterbin. Die Beteiligte zu 6 ist der Auffassung, sie sei nach dem Testament vom 28.12.2010, jedenfalls aber nach dem Testament vom 28.10.2003 Miterbin.
Aus den Gründen
Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 6 sind zulässig. Sie führen zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung. Zu Unrecht ist das Nachlassgericht zu dem Schluss gelangt, dass sich die Erbfolge aufgrund des Testaments vom 28.12.2010 bestimmt und die Beteiligten zu 1 und 9 Erben des Erblassers zu je 1/2 sind. Maßgeblich für die Erbfolge ist das notarielle Testament vom 28.10.2003.
1. Eine ausdrückliche Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1, 6 und 9 findet sich in dem Testament vom 28.12.2010 nicht. Der Erblasser hat darin lediglich über Einzelgegenstände verfügt.
a) Zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass die Zuwendung des Hauses als wesentlicher Vermögensgegenstand des Nachlasses als Erbeinsetzung ausgelegt werden kann (vgl. dazu Czubayko in: Burandt/Rojahn Erbrecht – 2011 – § 2087 BGB Rn 10 mwN).
b) Eine ausdrückliche Bestimmung der Person des Bedachten hat der Erblasser in diesem Zusammenhang jedoch nicht getroffen. Diese kann auch nicht im Wege der Anwendung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze im Sinne der §§ 133, 2084 BGB festgestellt werden. Der Erblasser hat die Zuwendung seiner Immobilie im Gegensatz zu den anderen von ihm verteilten Nachlassgegenstände nicht mit einer Namensnennung, sondern mit dem Pronomen "Wer" verknüpft. Insofern ist unklar, ob der Erblasser damit diejenigen Personen gemeint hat, die er bereits mit Einzelgegenständen bedacht hat, oder ob er darunter einen Personenkreis über diese Bedachten hinaus verstanden hat. Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es jedoch nicht.
c) Das Testament lässt nämlich bereits offen, an welche Art von "Kümmern" der Erblasser gedacht hat, ob mit diesem Begriff also die körperliche Pflege gemeint war, die Hilfe bei der anfallenden Hausarbeit, eine seelische Stütze (vgl. dazu BayObLG FamRZ 1991, 610, 611), die Erledigung finanzieller Angelegenheiten oder nur allgemein ein Schenken von Aufmerksamkeit. Insofern steht der Inhalt einer solchen Erbeinsetzung nicht im Einklang mit den Anforderungen an eine wirksame Verfügung im Sinne des § 2065 Abs. 2 BGB.
Danach kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung aufgrund letztwilliger Verfügung erhalten soll, nicht einem anderen überlassen. Dies bedeutet, dass der Erblasser im Hinblick auf die Individualisierung eines Bedachten seinen Willen nicht in der Weise unvollständig äußern darf, dass es einem Dritten überlassen bleibt, nach Belieben oder Ermessen den Erb...