Leitsatz
1. Auch ein nicht auffindbares gemeinsames Testament ist zunächst anhand des Erblasserwillens auszulegen. Erst bei Unergiebigkeit greift die Auslegungsregel des § 2269 BGB ein.
2. Eine lebzeitige Verfügung des längstlebenden Ehegatten ist nicht missbräuchlich im Sinne des § 2287 BGB, wenn der (teil-)unentgeltlichen Verfügung ein Eigeninteresse des Ehegatten gegenübersteht. Entscheidend ist hierbei, ob aus der Sicht des Ehegatten der lebzeitigen Verfügung eine adäquate Gegenleistung des Erwerbers gegenübersteht.
OLG Köln, Urteil vom 1. April 2014 – 3 U 165/13
Sachverhalt
Der Kläger begehrt von der Beklagten, seiner Schwester, die Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils an einer Eigentumswohnung Zug um Zug gegen Bezahlung eines Betrages iHv 30.000 EUR.
Die Parteien sind die beiden einzigen Kinder der Eheleute S H, der am 2.8.1994 verstarb, und D H, die am 14.2.2012 verstarb. Ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute H ist nicht mehr vorhanden. Im Jahre 1999 beantragte Frau H die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ihres Ehemannes auswies. Ein solcher Erbschein wurde am 26.1.2000 auch erteilt. Im Vorfeld der Erbscheinserteilung hatten die an der Erbfolge beteiligten Personen, insbesondere der nunmehrige Kläger und die nunmehrige Beklagte, eine Erklärung abgegeben. Hierin war festgehalten, dass das gesamte Erbe des Herrn S H auf Frau D H übergehen sollte und Frau H sich verpflichtete, ihren beiden Kindern testamentarisch je die Hälfte des Erbes zu vermachen (Erklärung vom 8.1.2000).
Im Jahre 2001 übertrug Frau D H die ihr gehörende und von ihr bewohnte Eigentumswohnung im Hause L-ße 86 in C zunächst auf den Kläger. Die Eigentumsumschreibung sollte jedoch erst nach dem Tod von Frau H erfolgen. Während ihrer Lebzeiten sollte sie berechtigt sein, das Wohnungseigentum zu veräußern. Frau H zog im November 2009 in ein Alten- und Pflegeheim und veräußerte kurz darauf mit notariellem Kaufvertrag vom 28.12.2009 diese Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 60.000 EUR an die Beklagte. In dem Kaufvertrag wurden neben dem Kaufpreis iHv 60.000 EUR einzelne Leistungen bezeichnet, die die Beklagte bereits erbracht habe oder noch bis zum Lebensende von Frau H erbringen werde. Wegen der Einzelheiten wird auf den zu den Akten gereichten Vertrag verwiesen (Bl 28 ff GA). Am selben Tag errichtete Frau H ein notarielles Testament, worin sie die Beklagte zu ihrer alleinigen Erbin einsetzte (Bl 38 ff GA).
Der Kläger hat in der Veräußerung der Eigentumswohnung an seine Schwester eine sein Erbe beeinträchtigende Schenkung gesehen. Er hat behauptet, dass die Parteien Schlusserben zu gleichen Teilen gemäß einem gemeinschaftlichen Testament ihrer Eltern aus dem Jahre 1987 geworden seien. Das gemeinschaftliche Testament der Eltern aus dem Jahre 1987 habe wechselbezügliche Verfügungen hinsichtlich der gegenseitigen Einsetzung der Ehegatten als Erben und der Einsetzung der beiden Kinder als Schlusserben enthalten. Die Erblasserin, Frau H, habe gegen die hieraus resultierende Bindung durch die Veräußerung der Wohnung an die Beklagte verstoßen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Erblasserin sei zur Verfügung über die Wohnung berechtigt gewesen, weil es an einer wechselbezüglichen Verfügung in dem gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten H aus dem Jahr 1987 gefehlt habe. Sie sei vielmehr befugt gewesen, über das Vermögen frei zu verfügen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist grundsätzlich davon ausgegangen, dass § 2287 Abs. 1 BGB entsprechend auf ein gemeinschaftliches Testament zugunsten eines Schlusserben anzuwenden ist. Allerdings könne ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute H aus dem Jahre 1987, auf das sich der Kläger stütze, nicht als existierendes wirksames Testament anerkannt werden. Dieses Testament liege als Urkunde nicht mehr vor. Der Nachweis seiner Errichtung und seines Inhalts könne nicht geführt werden. An den Nachweis eines testamentarischen Erbrechts seien hohe Anforderungen zu stellen, wenn die Urkunde nicht mehr auffindbar sei. Der vom Kläger angebotene Beweis sei nicht geeignet, Existenz und Inhalt des Testaments nachzuweisen. Der Kläger habe zwar Personen benannt, die von der Existenz des Testaments Kenntnis erlangt hätten, allerdings habe er nicht vorgetragen, dass diese das Testament vor seiner Vernichtung auch tatsächlich eingesehen hätten. Auch aufgrund der weiteren Umstände, insbesondere der zur Akte gereichten notariellen und privatschriftlichen Urkunden, könne nicht hinreichend auf Existenz und Inhalt des Testaments geschlossen werden. Hierbei müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass an der Richtigkeit der Erklärungen von Frau D H erhebliche Zweifel bestünden. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung des angefochtenen Urteils wird hierauf Bezug genommen (Bl 296 ff GA).
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehr...