Eine den Ansprüchen des § 9 Abs. 1 (bzw. Abs. 2 S. 1) BewG genügende Ermittlung des gemeinen Werts ist durch die aktuellen gesetzlichen Regelungen sowie ihre Auslegung durch die Rechtsprechung nicht gewährleistet. Dies liegt zum einen daran, dass die § 9 Abs. 1 für Gesellschaftsanteile konkretisierenden §§ 11 und 97 BewG das hierzu erforderliche Instrumentarium nicht bereitstellen, zum anderen daran, dass der Begriff der persönlichen Verhältnisse (§ 9 Abs. 2 S. 3 BewG), insbesondere der persönlichen Verfügungsbeschränkungen nach § 9 Abs. 3 BewG, durch die Rechtsprechung und wesentliche Teile der Literatur über Gebühr ausgedehnt wird.
Die geringsten Friktionen ergeben sich dann, wenn der übertragungsgegenständliche Gesellschaftsanteil unmittelbar im Rahmen einer am Ertrag orientierten Bewertung nach § 11 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 BewG bewertet wird (direkte Methode). Denn hierbei ergibt sich der Anteilswert nicht (allein) als Bruchteil des Werts der Gesellschaft insgesamt. Somit können hier auch besondere Charakteristika (soweit es sich nicht um ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse handelt) berücksichtigt werden.
Wird aber der Anteilswert indirekt bestimmt, also aus dem Wert der Gesellschaft bzw. des Unternehmens insgesamt abgeleitet, und erfolgt hierbei die Aufteilung nach § 97 Abs. 1 a oder Abs. 1 b BewG, schließen die gesetzlichen Vorgaben eine Berücksichtigung besonderer Ausstattungsmerkmale der bewertungsgegenständlichen Anteile aus. Die Aufteilung erfolgt zwingend allein anhand des Gewinnverteilungsschlüssels (Personengesellschaften) oder des Verhältnisses des Nennkapitals (Kapitalgesellschaften). Weitere (objektiv wertbeeinflussende) Parameter (disquotale Stimmrechte oder Beteiligungen am Liquidationserlös, Abfindungsbeschränkungen oder z. B. der fehlende Einfluss auf die Geschäftsführung) können nicht berücksichtigt werden. Dies ist umso verwunderlicher, als z. B. der fehlende Einfluss auf die Geschäftsführung bis Ende 2008 im Rahmen des für Kapitalgesellschaftsanteile maßgeblichen Stuttgarter Verfahrens (R 98 ff ErbStR 2003) ausdrücklich als wertmindernder Faktor ins Gewicht fiel, also nach der – zutreffenden – Vorstellung des Richtliniengebers einen wertbeeinflussenden Umstand darstellt, der weder als ungewöhnlich noch als persönlich iSv § 9 Abs. 2 S. 3 BewG anzusehen ist. Nach heutigem Recht ist eine solche Berücksichtigung im Rahmen der Aufteilung nach § 97 BewG nicht möglich.
Gleiches gilt im Ergebnis auch für andere (objektive) Umstände, die von der Norm abweichen, z. B. (nicht personengebundene) Mehrfachstimmrechte (oder Veto-Rechte), eine schwere Verkäuflichkeit der Anteile, eine Unterkapitalisierung des Unternehmens oder eine außergewöhnlich hohe Kapitalbindung etc. Die Finanzverwaltung rechtfertigt dies für den Fall der Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens (§§ 199 ff BewG) sowie bei der Bewertung unter Ansatz des Substanzwerts mit dem Vereinfachungs- und Typisierungscharakter dieser Verfahren. Gleichzeitig bestätigt sie dadurch, dass es sich dem Grunde nach um objektiv wertbeeinflussende Faktoren handelt.
Selbst wenn man konzediert, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren in der Tat von starken Vereinfachungen und Typisierungen geprägt ist und daher individuelle Verhältnisse nur eingeschränkt berücksichtigen kann, muss man doch festhalten, dass das Bewertungsobjekt dieser Methode das Unternehmen bzw. die Gesellschaft als Ganzes ist. Individuelle Verhältnisse, insbesondere hinsichtlich der Ausgestaltung der einzelnen Gesellschaftsanteile, im Rahmen der Aufteilung des Gesamtwerts nicht zu berücksichtigen, ist also auch bei Anwendung der §§ 199 ff BewG alles andere als zwingend. Dessen ungeachtet fehlt es an entsprechenden Öffnungsklauseln in § 97 Abs. 1 a bzw. 1 b BewG, sodass die von der Verwaltung für die Sonderfälle "vereinfachtes Ertragswertverfahren" und "Substanzwert" gerechtfertigte Nichtberücksichtigung eine durchgängige, nicht vom gewählten Bewertungsverfahren (für die Gesellschaft als Gesamtheit) abhängige Unzulänglichkeit darstellt.
Auch die Nichtberücksichtigung von Verfügungsbeschränkungen ist im Ergebnis nicht akzeptabel. Man wird nicht davon ausgehen können, dass die damit verbundenen Nachteile stets durch die von Daragan zu Recht angesprochenen Vorteile aufgewogen werden. Verfügungsbeschränkungen (durch gesetzliche Fiktion) als unbeachtliche persönliche Verhältnisse zu qualifizieren, wie § 9 Abs. 3 BewG dies (angeblich) tut, widerspricht mithin der in § 9 Abs. 1 BewG zum Ausdruck gebrachten Zielsetzung und ist auch verfassungsrechtlich nicht unbedenklich. Außerdem ist die Abgrenzung der persönlichen von den sachlichen Verfügungsbeschränkungen allein anhand der Art und Weise ihres Zustandekommens wenig überzeugend. Denn letztendlich beruhen die meisten Rechtsverhältnisse nicht allein auf schicksalhaften, allein gesetzlich geregelten Ereignissen oder Sachverhalten. Vielmehr liegen ihnen vertragliche Vereinbarungen (die ihrerseits mehr oder weni...