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Rechtsschutzversicherungen und Deckungsschutzanfragen spielen in der Praxis des im Erbrecht tätigen Rechtsanwalts grundsätzlich eine nur untergeordnete Rolle: Aufgrund der konfliktträchtigen Materie und des sich hieraus ergebenden "subjektiven Risikos" schließen viele Versicherungsgesellschaften in ihren Versicherungsbedingungen den Risikoschutz für familien-, lebenspartnerschaftliche und erbrechtliche Rechtsstreite vollständig aus oder begrenzen ihre Eintrittspflicht auf eine bestimmte Summe. Die Frage nach dem Vorhandensein einer Rechtsschutzversicherung scheint daher für den in diesen Rechtsgebieten tätigen Rechtsanwalt als vernachlässigbar. Zu Recht?
I. ARB – Allgemeine Rechtsschutzbedingungen
Den Versicherungsgesellschaften ist es seit dem 1.7.1994 möglich, eigene, individuelle Bedingungen zu entwickeln und diese ihren Verträgen zugrunde zu legen, ohne diese vorab von dem ehemals hierfür zuständigen Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen (BAV) genehmigen lassen zu müssen.
Seit diesem Zeitpunkt sind die von dem Gesamtverband der Deutschen Versicherer e.V. (GDV) in unregelmäßigen Abständen herausgegebenen ARB (Allgemeine Rechtsschutzbedingungen) als Empfehlungen zu verstehen, die jedoch für die einzelnen Versicherungsunternehmen keine Verbindlichkeit haben.
Die letzten verbindlichen ARB sind die ARB 75, die im Rahmen der Risikoausschlüsse den Versicherungsschutz pauschal für die Wahrnehmung sämtlicher rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Familien- und Erbrechts ausgeschlossen haben:
Zitat
"§ 4: Risikoausschlüsse "
Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen (...)
i) aus dem Bereich des Familienrechtes und des Erbrechtes; (...)“
Die ARB 75 gewährten lediglich im Rahmen einer Zusatzklausel (§§ 25 Abs. 2 e, 26 Abs. 3 g bzw. Abs. 5 g, 27 Abs. 3 g) Beratungsrechtsschutz, soweit sich die Rechtslage des Versicherungsnehmers aufgrund eines bestimmten Ereignisses verändert hat und daher eine Beratung erforderlich wurde.
Die aktuellsten Musterbedingungen der GDV sind die ARB 2012:
Zitat
"Nr. 2.2.11 Beratungs-Rechtsschutz im Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrecht für einen Rat oder eine Auskunft eines in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalts in Familien-, Lebenspartnerschafts- und erbrechtlichen Angelegenheiten. Wird der Rechtsanwalt darüber hinaus tätig, erstatten wir insgesamt keine Kosten. (...)"
Nach diesen Musterbedingungen ist standardmäßig vorgesehen, dass allenfalls Beratungs-Rechtsschutz in Form der Begleichung der Kosten einer ersten Beratung besteht, solange die Tätigkeit des Rechtsanwalts mit dieser Erstberatung beendet ist.
Einige Rechtsschutzversicherer bieten einen erweiterten Beratungs-Rechtsschutz an, indem sie die Übernahme der rechtsanwaltlichen Kosten bis zu einem bestimmten Betrag übernehmen. Die Allgemeinen Bedingungen der ADVOCARD Rechtsschutzversicherung AG (ARB 2016) lauten hier beispielsweise wie folgt:
Zitat
"§ 2 Unsere Leistungsarten: In welchen Rechtsbereichen sind Sie versichert? "
(...)Er umfasst je nach Vereinbarung die folgenden Leistungsarten: (...)
k) Beratungs-Rechtsschutz im Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrecht
aa) für einen Rat oder eine Auskunft eines in Deutschland zugelassenen Rechtsanwaltes in Familien-, Lebenspartnerschafts- und erbrechtlichen Angelegenheiten.
Ausnahmen: Diese hängen mit einer anderen gebührenrechtlichen Tätigkeit (zum Beispiel einer Beratung) des Anwaltes zusammen.
bb) hängt der Rat oder die Auskunft mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit des Anwaltes zusammen, übernehmen wir die gesetzlichen Kosten. Wir zahlen diese Kosten bis zu einer halben Gebühr nach dem Vergütungsverzeichnis (plus Mehrwertsteuer, höchstens aber 1.000 EUR pro Rechtsschutfzall insgesamt). Sie finden dieses Verzeichnis in der Anlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. (...)“
Aufgrund der eingetretenen Vielfalt und Individualität der verwendeten ARB ist hier durch den Rechtsanwalt im Rahmen einer erbrechtlichen Beratung konkret zu prüfen, ob und wenn ja in welcher Höhe Versicherungsschutz besteht.
Allen auf der Empfehlung der GDV basierenden ARB ist jedoch der grundsätzliche Ausschluss des Versicherungsschutzes in "familien-, lebenspartnerschafts- und erbrechtlichen Angelegenheiten" gemein.
II. "Erbrechtliche Angelegenheiten"
Für die Beantwortung der Frage, ob der Rechtsschutzversicherer zur Übernahme der Kosten der anwaltlichen Beratung sowie eines etwaigen Prozesses verpflichtet ist, ist somit zu klären, was unter einer "Erbrechtlichen Angelegenheit" im Sinne der jeweiligen ARB zu verstehen ist.
1. Auslegung der "ARB"
Bei den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) handelt es sich um durch die Versicherungsgesellschaft vorformulierte, allgemein gültige und nicht zur Disposition des Versicherungsnehmers stehende Bedingungen, zu welchen der Versicherungsschu...