Die moderne Medizin hält "luzide Intervalle" bei chronisch-krankhaften Störungen der Geistestätigkeit für ausgeschlossen. Dieser Ansicht ist bei einer vorliegenden strukturellen Hirnschädigung zu folgen.
Auch sind "luzide Intervalle", in denen bei einem vor und nach Testamentserrichtung wegen geistiger Insuffizienz testierunfähigen Erblasser kurzzeitig Testierfähigkeit gegeben sein sollte, in jedem Fall schwer nachweisbar.
Alleine für den Fall, dass der Zustand des Erblassers bei einzelnen Erkrankungen mit Hirnbeteiligung zwischen klaren Momenten und Verwirrtheit wechselt oder er an starken Schwankungen des geistigen Zustands leidet, kann sein in einem "luziden Intervall" errichtetes Testament wirksam sein, wenn der Errichtungszeitpunkt und das "luzide Intervall" zu diesem Zeitpunkt feststehen und die Beeinträchtigung nur eine vorübergehende ist.
Leidet der Erblasser jedoch an einer chronisch-progredienten Demenz, ist ein "luzides Intervall" praktisch ausgeschlossen. Unter einem "luziden Intervall" verstand man ursprünglich monate- bis jahrelang andauernde symptomfreie Intervalle bei phasenhaft verlaufenden Psychosen. Erst ab dem 19. Jahrhundert wurde der Begriff für kurzdauernde Zustandsverbesserungen während eines chronischen Krankheitsprozesses verwendet. Dies führt zur Verwirrung, da die juristische Literatur gerade nicht zwischen den beiden soeben genannten Arten von Intervallen unterscheidet. Bei chronischen wie auch bei chronisch-progredienten Störungen, wozu auch die Demenz zählt, richtet sich die Beurteilung alleine nach den im fraglichen Zeitraum vorhandenen Dauerveränderungen. Diese sind jedoch von den gegebenenfalls überlagernden nur vorübergehenden Zusatzsymptomen abzugrenzen. Wenn eine monate- oder jahrelang bestehende Erkrankung aufgrund von chronisch-psychopathologischen Symptomen belegt ist, die eine Testierunfähigkeit zur Folge hat, sind kurzfristige "luzide Intervalle" mit Wiedererlangung der Urteilsfähigkeit so gut wie ausgeschlossen. Zu beachten ist, dass eine unter günstigen Umständen und bei entsprechender Behandlung allmählich über Monate eintretende Verbesserung oder sogar Zurückbildung einer länger verlaufenden Erkrankung nichts mit einem sogenannten "luziden Intervall" zu tun hat. Im Fall einer Demenz ist zusätzlich zu beachten, dass während der Zeit ihres Bestehens viele Informationen häufig gar nicht oder nicht realitätsgerecht aufgenommen, verarbeitet und abgespeichert werden. Im Fall einer Besserung bestünden somit erhebliche Lücken in der geistigen und psychischen Repräsentanz der relevanten Umweltinformationen und eigenen Biografie, welche erst geschlossen werden müssten. Dies ermöglicht aber die Einflussnahme Dritter in unkontrollierbarer Weise.
Es ist medizinisch nicht zu begründen, dass im Fall von strukturellen Hirnveränderungen eine kurzzeitige Besserung bei schon eingetretenen Beeinträchtigungen der geistigen Fähigkeiten erwartet werden kann. Bei demenziellen Syndromen liegt dies vorwiegend an den vorhandenen Dauerveränderungen. Liegt ein mittelschwer bis schwer ausgeprägtes demenzielles Syndrom nachweislich vor, sind kurzfristige "luzide Intervalle" mit Wiedererlangen der Kritik- und Urteilsfähigkeit nicht in Betracht zu ziehen. Werden diese dennoch behauptet, so müsste der positive Nachweis hierfür erbracht werden, wenn zuvor das Vorliegen der Voraussetzungen für Testierunfähigkeit belegt wurde.
Aufgrund der klinischen Erfahrungen sollte nach Ansicht von Foerster der Begriff des "luziden Intervalls" gänzlich aufgegeben werden. Wiederkehrende Zustandsverbesserungen sind lediglich etwa bei Delirien, Verwirrtheitszuständen oder Vergiftungen zu erwarten, auch bei phasenhaft verlaufenden Psychosen, die zwar in der akuten Phase Testierunfähigkeit bedingen, aber – für den Fall, dass sie keine dauerhaften Hirnveränderungen hinterlassen – nach Abklingen wieder eine Testierfähigkeit erwarten lassen. Derartiges ist jedoch bei mittelschweren demenziellen Syndromen kaum noch und bei schweren demenziellen Syndromen nicht mehr zu erwarten.
Durch eine adäquate Behandlung der körperlichen Grunderkrankungen kann bei multimorbiden Betroffenen in seltenen Fällen eine kurzzeitige Besserung der geistigen Fähigkeiten eintreten, aber nur für den Fall, dass noch keine strukturellen Hirnschädigungen vorliegen. In klareren Phasen besteht zudem eine hohe Gefährdung der Fremdbeeinflussung. Bei den häufig von Zeugen angegebenen sogenannten klaren Phasen handelt es sich meist nur um Vigilanzschwankungen im Sinne von reger und wacher Phase im Allgemeinbefinden und sodann wieder vorliegender schläfriger und verlangsamter Phase, die keinesfalls einem "luziden Intervall", in dem eine wiederhergestellte Geistestätigkeit angenommen werden kann, gleichzusetzen ist. Aufgrund von Wechselwirkungen zwischen den Erkrankungen können Veränderungen des Blutdrucks, des Blutzuckers oder der Pumpleistung des Herzens durchaus zu deutlichen Schwankungen der Wachheit des Erblassers, auch ...