Nach überwiegender Meinung geht die Zahlungssorge des Testamentsvollstreckers noch weiter und bezieht sich auf die gesamte Erbschaftsteuer. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Nachsteuer keine selbstständige Steuer sei. Soweit sie auf dem rückwirkenden Wegfall einer Befreiung beruhe, entstehe sie rückwirkend zum Erbfall. Daran ist richtig, dass die Nachsteuer keine selbstständige Erbschaftsteuer ist. Sie ist die gesamte Erbschaftsteuer, wenn eine umfassende Befreiung entfällt, oder ein Teil der Steuer bei einer partiellen Befreiung. Nicht richtig ist, dass die Nachsteuer rückwirkend entsteht und in die Zahlungssorge des Testamentsvollstreckers einbezogen ist.
Die Erbschaftsteuer ist stichtagsbezogen. Das besagt, dass sie in einem bestimmten Zeitpunkt nach den dann gegebenen Umständen, Besteuerungsgrundlagen genannt, entsteht. Dieses Stichtagsprinzip, das in den § 9 ErbStG und in den §§ 38, 170 Abs. 1 AO fixiert ist, hat zur Folge, dass ein Ereignis, das erst nach dem Stichtag eintritt, den am Stichtag entstandenen Steueranspruch grundsätzlich nicht beeinflussen kann.
Der Wegfall der Voraussetzungen einer vorläufigen Befreiung ist ein zukünftiges, objektiv ungewisses Ereignis. Deshalb ist die Befreiung auflösend bedingt. Das hat zur Folge, dass der Steueranspruch, der auf ihrem Wegfall beruht, aufschiebend bedingt ist. Er entsteht also erst, wenn die Bedingung eingetreten ist. Denn erst dann ist der Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Das bedeutet, dass der Eintritt der Bedingung grundsätzlich ex nunc wirkt. Die Steuer entsteht also nach den bei Bedingungseintritt gegebenen Besteuerungsgrundlagen und ihres aktuellen Werts (§ 11 ErbStG). Indirekt ergibt sich das auch aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ErbStG. Zwar ist, anders als dort vorausgesetzt, nicht der steuerbare Erwerb aufschiebend bedingt, sondern der Steueranspruch für den unbedingt angefallenen Erwerb. Aber in der Sache besteht kein Unterschied. Der Steueranspruch ist hier wie dort bedingt. Nur die Bedingungen sind verschieden.
Wie verhält es sich nun, wenn eine Befreiung mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt? Dann scheint die auflösend bedingte Befreiung ex tunc zu entfallen, so als ob es sie nie gegeben hätte. Dann scheint der aufschiebend bedingte Steueranspruch gleichermaßen ex tunc zu entstehen. Das ist eine naheliegende Deutung. Aber eine ex-tunc-Entstehung hat im Grund keinerlei Konsequenzen, jedenfalls keine für den Steuerpflichtigen. Nachzahlungszinsen, die es bei der Erbschaftsteuer zwar nicht gibt, laufen nicht rückwirkend, sondern ex nunc (§ 233 a Abs. 2 a AO). Säumniszuschläge nach § 240 AO gibt es ebenfalls nicht rückwirkend. Und die Festsetzungsverjährung für einen rückwirkend entstandenen Steueranspruch beginnt nicht nach der Grundregel des § 170 Abs. 1 AO mit dem Ende des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch rückwirkend entstanden sein soll, sondern nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Befreiung entfallen ist. Zählt man hinzu, dass die rückwirkend entstandene Steuer erstmalig oder durch die Änderung eines Erbschaftsteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO festgesetzt werden muss, damit sie nachgefordert werden kann, zeigt sich, dass eine ex-tunc-Entstehung ein rein theoretisches Konstrukt ist, das sich in seinen Konsequenzen nicht von einer ex-nunc-Entstehung unterscheidet. Das spricht dafür, den rückwirkenden Wegfall einer Befreiung als Durchbrechung des Stichtagsprinzips zu verstehen und bei der ex-nunc-Wirkung bleiben.
Die Entstehungsgeschichte der auflösend bedingten Befreiungen legt die Annahme nahe, dass der Wegfall für die Vergangenheit nicht die Entstehung der Nachsteuer betrifft, sondern nur die Art und Weise ihrer Berechnung. Erstmals bei der Erbschaftsteuerreform 1974 wurde in § 13 Nr. 2, 3, 12 und 15 ErbStG bestimmt, dass die Befreiungen mit Wirkung für die Vergangenheit wegfallen, wenn ihre Voraussetzungen innerhalb von zehn Jahre nach dem Erwerb oder der Zuwendung entfallen. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu für die Befreiung nach § 13 Nr. 2 ErbStG: "Der Wegfall der Befreiung mit Wirkung für die Vergangenheit stellt sicher, daß die Steuer nach dem seinerzeitigen Wert nachzuerheben ist. Bei der nachträglichen Steuerfestsetzung bleiben also die eventuellen Wertsteigerungen, die bei dem befreiten Vermögen oder teilbefreiten Vermögensgegenstand nach dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers bzw. dem Zeitpunkt der Ausführung eingetreten sind, unberücksichtigt. Die maßgebliche Verfahrensvorschrift für die nachträgliche Steuerfestsetzung ist § 156 Nr. 2 der Abgabenordnung 1974." Und zu den übrigen Tatbeständen heißt es: "Wegen der Durchführung der nachträglichen Steuerfestsetzung in diesen Fällen vgl. die Ausführungen zu Nummer 2 (am Schluß)." Mit der Rückwirkung soll also nur erreicht werden, dass die Nachsteuer nach dem Wert nacherhoben wird, den der nunmehr steuerpflichtige Erwerb ursprünglich ha...