Bemerkenswert ist, dass die Finanzverwaltung, von der erwartet werden könnte, dass sie aus fiskalischen Gründen der herausgearbeiteten Auslegung zugeneigt sei, eine ganz andere, für den einzelnen Steuerpflichtigen ungleich günstigere Auffassung vertritt. Diese soll, da für die Beratungspraxis in erster Linie maßgeblich, hier wiedergegeben und anschließend kritisch gewürdigt werden.
R 13 b.19 Abs. 4 S. 1 ErbStR 2011 lautet: "Gehört zum Betriebsvermögen eine Beteiligung an einer Personengesellschaft […], ist der dem bei der Tochtergesellschaft vorhandenen jungen Verwaltungsvermögen entsprechende Teil des Werts der Beteiligung […] bei dem Betrieb oder der Gesellschaft, die die Beteiligung […] unmittelbar hält, nur bei der Prüfung des 50 Prozentanteils [sic] als Verwaltungsvermögen und nicht zusätzlich als junges Verwaltungsvermögen zu berücksichtigen."
Ähnliches hatten zuvor, am 11.4.2011, die OFDen Münster und Rheinland verfügt: "Gehört zum Betriebsvermögen eine Beteiligung an einer Personengesellschaft […], ist das bei der Tochtergesellschaft vorhandene junge Verwaltungsvermögen bei dem zu bewertenden Betriebsvermögen, zu dem die Beteiligung […] unmittelbar gehört[…], nur bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob das Verwaltungsvermögen die Quote von 50 % nicht übersteigt. Das junge Verwaltungsvermögen der Tochtergesellschaft ist nicht zusätzlich als junges Verwaltungsvermögen des zu bewertenden Betriebsvermögens anzusetzen."
Diese Ansicht stößt im Schrifttum auf Widerspruch. Die Handhabung der Finanzverwaltung finde im Gesetz keine Stütze. § 13 b Abs. 2 S. 3 ErbStG ordne nicht an, dass junges Verwaltungsvermögen der Untergesellschaft als Verwaltungsvermögen der Obergesellschaft zähle, sondern dass junges Verwaltungsvermögen nicht zum begünstigten Vermögen gehöre.
Dem ist beizupflichten. Denn zusammengefasst bedeutet die Auffassung der Finanzverwaltung: Junges Verwaltungsvermögen bei der Tochter gilt in Höhe der Beteiligung, die die Mutter an der Tochter hält, als "normales" Verwaltungsvermögen bei der Mutter. Eine solche Umqualifizierung ist dem Gesetz aber mit anerkanntem juristischem Handwerkszeug nicht zu entnehmen. Die Verwaltung setzt sich über ihre Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) hinweg. Ihre Gesetzesinterpretation führt nämlich dazu, dass die Anordnung in § 13 b Abs. 2 S. 3 ErbStG, junges Verwaltungsvermögen gehöre nicht zum begünstigten Vermögen, teilweise missachtet wird.