Den zweiten Vortrag des Tages hielt Prof. Dr. Michael Eichberger, der als Richter des Bundesverfassungsgerichts Stellung zu dessen jüngsten Urteil zum Erbschaftsteuergesetz nahm. Einleitend machte Eichberger einige Anmerkungen zu dem Vortrag seines Vorredners Dr. Meister. So stellte er klar, dass, sollte der Gesetzgeber seinen Regelungsauftrag nicht bis zum Stichtag wahrnehmen, es nicht zu einem ersatzlosen Entfallen des alten Erbschaftsteuerrechts käme; vielmehr bleibe die alte Rechtslage, wiewohl verfassungswidrig, in Kraft. Eine Pflicht des Gesetzgebers, die Neuregelung mit einer Rückwirkung, etwa auf das Verkündungsdatum des Urteils, zu versehen, ergebe sich aus dem Urteil nicht. Mit der dort am Schluss gewählten Formulierung habe der Senat dem Gesetzgeber nur die Option offenlassen wollen, in den besonderen Fällen einer exzessiven Ausnutzung gerade der in dem Urteil als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltungen der §§ 13 a und 13 b ErbStG die Neuregelung ungeachtet der Weitergeltungsanordnung insoweit rückwirkend in Kraft zu setzten.
Sodann stellte Eichberger die dem Urteil zugrunde liegenden Überlegungen dar. Es beruhe ausschließlich auf einer Verletzung des Gleichheitssatzes. Da es nicht um den Steuertatbestand selbst gehe, sondern um die Frage, wann dieser infolge der Verschonung nicht eingreife, sei durch die vorgelegten Regelungen die Eigentumsgarantie der Steuerpflichtigen nicht berührt. Im Rahmen des Art. 3 GG sei die maßgebliche Frage, ob die unterschiedliche Behandlung der Erben von Unternehmen und der Erben sonstigen Vermögens gerechtfertigt werden könne. Als Ziel der Ungleichbehandlung habe der Senat dem Gesetz entnommen, dass der Übergang von Familienunternehmen im Erbfall für das Unternehmen belastungsarm erfolgen solle und dies als legitim anerkannt. Hieraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass diese Unternehmen aus verfassungsrechtlicher Sicht gefördert werden müssten, diese Wertung bleibe vielmehr dem Gesetzgeber überlassen. In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung führt Eichberger aus, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, wenn eine Verschonungsregelung auch ohne Nachweis dafür gelte, dass diese für die wirtschaftliche Existenz der betroffenen Unternehmen im jeweiligen Einzelfall zwingend sei; vielmehr stehe eine pauschalierende Regelung durchaus mit der Verfassung in Einklang. Denn es lägen jedenfalls keine Belege dafür vor, dass der Erbfall für das betroffene Unternehmen eindeutig wirtschaftlich ungefährlich wäre. Eine individuelle Prüfung der Notwendigkeit einer Verschonungsregelung für jeden einzelnen Fall sei beim Übergang von Unternehmen kleiner und mittlerer Größe aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten. In diesem Zusammenhang machte Eichberger aber auch deutlich, dass der Gesetzgeber trotz der ihm im Einzelnen zustehenden Ausgestaltungsfreiheit den Anwendungsbereich der Verschonungsregelungen, etwa der Lohnsummenregelung, auf die Fälle zuschneiden müsse, deren Privilegierung das Gesetz verfolgt. Zudem habe er darauf zu achten, dass die Unternehmen, auf die das Gesetz Anwendung finden solle, tatsächlich auch schutzbedürftig seien. Mit wachsender Größe und Finanzkraft des Unternehmens, und damit zunehmendem Umfang der durch Erbe oder Schenkung übergehenden Vermögens, wachse das Maß der steuerlichen Ungleichbehandlung zwischen verschonten Unternehmenserben gegenüber sonstigen Erben. Dementsprechend steige die Rechtfertigungslast für die Privilegierung. Anhand welcher Parameter der Gesetzgeber die Gruppen der privilegierungsbedürftigen und der nicht-privilegierungsbedürftigen Unternehmen voneinander abgrenze, bleibe dessen Einschätzungsprärogative überlassen. Er könne sich hierbei an der unionsrechtlichen Definition kleiner und mittlerer Unternehmen orientieren, wie das Urteil erwähne, müsse dies aber keineswegs. Eichberger schloss seinen Vortrag mit dem Hinweis, dass der Gesetzgeber in verfassungsrechtlicher Hinsicht an das bestehende Modell nicht gebunden sei, vielmehr könne er an die Stelle der verfassungswidrigen Regelungen auch ein gänzlich neues Modell der Erbschaftsteuer setzen. Möglich sei es etwa auch, die Steuerverschonung nur bis zu einer absoluten Grenze bezüglich des Unternehmenswerts zu gewähren. Auch habe das Gericht dem Gesetzgeber aufgegeben, bei der Neuregelung zu prüfen, ob bei der Frage, ob im konkreten Fall das Bedürfnis zur Steuerverschonung bestehe, das bisherige oder auch sonst – neben unternehmerischen Werten – ererbte Vermögen des Erben in die Betrachtung einzubeziehen sei.
Im Rahmen der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion ging Eichberger zunächst auf den Einwand ein, dass es ein Widerspruch sei, wenn das BVerfG die Verschonungstatbestände der §§ 13 a, 13 b ErbStG deswegen für verfassungswidrig erkläre, weil diese exzessive Gestaltungsmöglichkeiten offen ließen, während der BFH in seinem Vorlagebeschluss eben diese Gestaltungsmöglichkeiten als ausdrücklich mit dem Gesetz vereinbar erklärt habe. Er ...