Leitsatz
Im Erbscheinsverfahren ist neben dem Antragsteller auch materiell beschwerdeberechtigt, wer durch die Entscheidung eine Beeinträchtigung seiner erbrechtlichen Stellung geltend machen kann. Hierbei ist unerheblich, ob der Beschwerdeberechtigte einen eigenen Antrag gestellt hat – dieser kann mit der Beschwerde nachgeholt werden. Einem Vermächtnisnehmer kommt dagegen keine Beschwerdebefugnis zu.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 8 W 302/16 + 8 W 340/16
Sachverhalt
Der am 23.12.2015 durch Suizid verstorbene Erblasser war seit dem 8.10.2015 mit der Beteiligten 1 im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Die Beteiligten Ziff. 2 bis 6 sind Abkömmlinge des Erblassers aus früheren Beziehungen, wobei die Beteiligte Ziff. 7 die Mutter der Beteiligten Ziff. 3 bis 6 ist, während der Beteiligte Ziff. 2 aus einer noch früheren Beziehung des Erblassers stammt. Die Beteiligte Ziff. 7 ist Sorgeberechtigte für die Beteiligte Ziff. 6, die noch nicht volljährig ist. Im Zeitpunkt des Erbfalls erwartete die Beteiligte Ziff. 1 vom Erblasser ein Kind, den am 26.6.2016 geborenen Beteiligten Ziff. 8. Die Beteiligten Ziff. 9 und 10 sind Söhne der Beteiligten Ziff. 1, die diese in die Ehe brachte.
Vom Erblasser liegt ein privatschriftliches Testament vom 5.12.2015 (Bl. 37 dA) mit folgendem Wortlaut vor:
Zitat
"Mein Testament, "
ich möchte, dass nach meinem Tod mein gesamtes Vermögen zu gleichen Teilen unter meinen Kindern XXX verteilt wird. Mein Sohn XXX soll vorab aus der Erbmasse 20.000,00 EUR erhalten, ebenso wie meine Patenkinder XXX und XXX, die ebenfalls je 20.000,00 EUR erhalten sollen.
Es tut mir leid, dass meine Frau XXX sich immer wieder geweigert hatte, im Falle meines Todes sich als Miterbin einsetzen zu lassen oder sich um diese Angelegenheiten zu kümmern.
Rottweil, den 5.12.2015
(Unterschrift) XXX
(XXX)
Meine XXX sollen als "Testamentvollstrecker" das Erbe verwalten und verteilen.
5.12.2015 (Unterschrift) XXX“
Am 15.2.2016 haben die Beteiligten Ziff. 3, 4 und 7 (diese als Bevollmächtigte des 5 in dessen Namen) zur Niederschrift des Notariats Blaustein – Nachlassgericht – die Annahme des Amtes des Testamentsvollstreckers erklärt und die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragt.
Die Beteiligte Ziff. 1 hat durch Schriftsatz an das Notariat Rottweil – Nachlassgericht – vom 18.2.2016 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach sie mit einem Erbteil von 1/2 und die Beteiligten Ziff. 2 bis 6 sowie der Beteiligte Ziff. 8 mit einem Erbteil von je 1/12 Erben des Erblassers geworden sind. Gleichzeitig wurde von der Beteiligten Ziff. 1 die Anfechtung des privatschriftlichen Testaments des Erblassers vom 5.12.2015 erklärt. Zur Begründung wurde auf die Regelung des § 2079 BGB verwiesen und vorgetragen, der Erblasser habe den zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments noch nicht geborenen Beteiligten Ziff. 8 als Pflichtteilsberechtigten übergangen, zu diesem Zeitpunkt sei dem Erblasser noch nichts über die Schwangerschaft bekannt gewesen. Anfang Dezember habe sie – die Beteiligte Ziff. 1 – selbst noch keine gesicherte Kenntnis über die Schwangerschaft gehabt und ihrem Mann noch nichts gesagt, sondern ihm dies Weihnachten mitteilen wollen. Der Erblasser habe von dem ungeborenen Kind noch nicht einmal am 22.12.2015 gewusst. Die Anfechtung beseitige das angefochtene Testament in vollem Umfang und es trete somit gesetzliche Erbfolge ein. Das Notariat Rottweil – Nachlassgericht – sei in der Sache örtlich zuständig, da der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe.
Ebenfalls im Hinblick auf die erklärte Testamentsanfechtung ist die Beteiligte Ziff. 1 dem Antrag der Beteiligten Ziff. 3, 4 und 5 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses entgegengetreten.
Mit Schriftsatz an das Notariat Blaustein – Nachlassgericht – vom 3.5.2016 haben die Beteiligten Ziff. 3 bis 6 ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach sie jeweils mit einem Erbteil von 1/4 Erben des Erblassers geworden sind. Zur Begründung tragen sie vor, der Erblasser habe zwar zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 5.12.2015 von der Schwangerschaft seiner Ehefrau – der Beteiligten Ziff. 1 – nichts gewusst, aber in jedem Fall vor seinem Tod Kenntnis von dem ungeborenen Kind gehabt. Dies ergebe sich daraus, dass der Erblasser einen 7-seitigen Abschiedsbrief (bei Bl. 63 dA) an das ungeborene Kind erstellt habe. Aus dem Brief ergebe sich zweifelsfrei, dass der Erblasser Kenntnis vom ungeborenen Kind der Ehefrau gehabt habe. Diese habe dem Erblasser schon am 11./12.12.2015 mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Dem Erblasser sei demgemäß sechs Tage nach Erstellung des Testaments und zehn Tage vor seinem Tod bekannt gewesen, dass er wieder Vater werde. Damit stehe fest, dass er alle Zeit gehabt habe, sein Testament vom 5.12.2015 dahingehend zu ändern, dass das ungeborene Kind mitbedacht wird. Dies habe er jedoch nicht getan.
Durch Beschluss vom 9.5.2016 hat das Notariat I Rottweil – Nachlassgericht – (Az. 1 NG...