Aktuelle Rechtsprechung des 31. Zivilsenats des OLG München
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Für den in allgemeinen Zivilsachen tätigen Juristen steht die objektive Bedeutung empfangsbedürftiger Willenserklärungen im Mittelpunkt seiner Überlegungen, also die Frage danach, wie der Erklärungsempfänger eine Willensäußerung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Dagegen ist es das Ziel der Testamentsauslegung, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen, es muss also geklärt werden, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Diese sattsam bekannte Unterscheidung leuchtet in der Theorie unmittelbar ein, muss aber in der Praxis immer wieder neu erarbeitet werden. Deshalb haben wir Ihnen Fälle mitgebracht, in denen sich der Senat in den letzten 2 Jahren mit Fragen der Testamentsauslegung zu befassen hatte.
I. Wenigstens etwas – Umdeutung eines unwirksamen Ehegattentestaments in ein Einzeltestament?
Das Heureka des Juristen wandelt sich gelegentlich in Enttäuschung, da die Prüfungsarbeit mit der Feststellung häufig nicht beendet ist, dass eine Erklärung formunwirksam ist. Das heißt etwa beim gemeinschaftlichen Testament, dass sich an die Feststellung, dass ein gemeinschaftliches, eigenhändiges Testament nicht den Formerfordernissen des § 2267 BGB genügt, weil es nicht von beiden Ehegatten unterzeichnet ist, die Frage anschließt, ob es mgw. als eigenhändiges Testament eines der beiden Ehegatten wirksam ist. Voraussetzung ist, dass das Fragment des gemeinschaftlichen Testaments von einem der Ehegatten ge- und unterschrieben ist. Die schwierigere Frage ist die sich anschließende, nämlich die danach, ob der "schreibende" Ehegatte das, was er als gemeinschaftliche Verfügung entworfen hat, auch als Einzeltestament wollte. Einen solchen Fall hatte der Senat im April 2014 zu entscheiden. Dort hatten die kinderlosen Eheleute in mehreren vom Ehemann unterschriebenen Entwürfen eines gemeinschaftlichen Testaments sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt und als Schusserben eine Nichte des Ehemanns und den Neffen der Ehefrau eingesetzt.
Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass hier die Geltung des "gemeinschaftlichen Testaments" als Einzeltestament des Ehemanns infrage kommt. Auf den zweiten Blick stellt man fest, dass in diesem Fall die Ehefrau bei Überleben des Ehemanns dessen Alleinerbin geworden wäre, während Schlusserben beide Stämme zu je 1/2, vertreten jeweils durch Neffe bzw. Nichte der Erblasser, geworden wären. Hätte dagegen der Ehemann die Ehefrau überlebt, wäre er bei der dann greifenden gesetzlichen Erbfolge nicht deren Alleinerbe geworden. Denn gem. § 1931 Abs.1 BGB ist der Ehegatte neben den gesetzlichen Erben der zweiten Ordnung nur als Erbe zu 1/2 berufen, sodass im Beispielsfall die Nichte der Ehefrau auch bei Anwendbarkeit von § 1371 Abs.1 BGB zu 1/4 Erbin geworden wäre.
Damit war die Frage zu beantworten, ob es dem Willen des vorverstorbenen Ehemanns entsprochen hatte, ggfs. bei Vorversterben der Ehefrau Miterbe zu werden, während diese bei seinem eigenen Vorversterben seine Alleinerbin geworden wäre. Nach der Lebenserfahrung haben kinderlose Ehegatten in der Regel kein Interesse daran, dass nach dem Tod des Erstversterbenden der Überlebende nur Miterbe neben Geschwistern des verstorbenen Ehegatten oder deren Abkömmlingen wird. Das gilt umso mehr, wenn sie – wie im entschiedenen Fall – gemeinsam Eigentümer einer in der Ehe erworbenen Immobilie sind. Die Darlegungen der Ehefrau, wonach eine Beteiligung Dritter am Nachlass im ersten Sterbefall zwangsläufig zur Aufgabe der Wohnung in München hätte führen müssen, legten es erst recht nahe, dass auch der Erblasser eine Absicherung durch eine wechselseitige Alleinerbeneinsetzung haben wollte, sodass nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der Entwurf des gemeinschaftlichen Testaments auch als Einzeltestament hätte gelten sollen.
Das kann sich wieder anders verhalten, wenn der das gemeinschaftliche Testament schreibende und unterschreibende Ehegatte die Unterschrift des Partners nicht einholt, weil er weiß, bzw. vermutet, dass dieser testierunfähig ist. Dann kann es ggf. so sein, dass die Einsetzung des erkrankten Ehegatten dessen Versorgung dienen soll. Dies unabhängig davon, ob der vorversterbende – geistig gesunde – Ehegatte im umgekehrten Fall Alleinerbe geworden wäre. Die immer wieder auftauchende Frage nach der Umdeutung eines formunwirksamen Ehegattentestaments in ein formwirksames Testament kann daher nur nach den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden.
II. "Sollte mir etwas zustoßen" – Bedingung oder Motivangabe?
Es besteht oft (zusätzlicher) Klärungsbedarf, wenn der Erblasser neben seinen letztwilligen Verfügungen weitere Zusätze in das Testament aufgenommen hat, die in Zusammenhang mit der Errichtungssituation des Testaments stehen. Insofern stellt sich die Abgrenzungsfrage, ob in der Testierung lediglich der Anlass für die Errichtung des Testaments geschildert wird (dann Motivwiedergabe) od...