Leitsatz
1. Neben der Enterbung des dem Erblasser unbekannten Pflichtteilsberechtigten ist für das Durchgreifen der Anfechtung aufgrund Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten gem. § 2079 BGB erforderlich, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten bei Kenntnis von dessen Existenz bzw. nachfolgenden Hinzutretens nicht von der Erbfolge ausgeschlossen hätte.
2. Dies ist auszuschließen, wenn der Erblasser innerhalb des anzufechtenden Testaments zum Ausdruck brachte, die Verfügung ohne Rücksicht auf bestehende oder hinzutretende Pflichtteilsberechtigte zu erstellen.
KG Berlin, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 6 W 100/16
Sachverhalt
Der Erblasser war bis zu seinem Tod mit der Beteiligten zu 1) verheiratet. Aus der Ehe sind zwei Töchter hervorgegangen, die Beteiligten zu 2) und 3). Der Erblasser ist auch der Vater des Beteiligten zu 4), der am 20.12.1996 nichtehelich geboren ist (Bl I/3 d. A.). Der Erblasser hat die Vaterschaft für den Beteiligten zu 4) durch die am 9.12.1996 von dem Notar ... (Urkundenrolle Nr. G 588/1996) beurkundete Erklärung für das noch ungeborene Kind der Beteiligten zu 5) anerkannt. Zu den Einzelheiten wird auf die genannte Urkunde (Bl I/13 ff d. A.) verwiesen.
Die Beteiligten haben aufgrund unterschiedlicher letztwilliger Verfügungen des Erblassers unterschiedliche Erbscheinsanträge gestellt und streiten um die Wirksamkeit dieser Verfügungen.
Der Erblasser sowie die Beteiligte zu 1) errichteten am 5.6.1962 ein gemeinschaftliches Testament in handschriftlicher Form, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und ihre gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen als Erben des Letztversterbenden sowie als Ersatzerben eingesetzt haben. Zugleich haben sie bestimmt, dass ihre Kinder beim Tod des Erstversterbenden ein Vermächtnis im Wert von 60 % des gesetzlichen Erbteils erhalten und der Überlebende die Bestimmung der vermachten Gegenstände nach freier Wahl trifft. Sie haben die Testamentsvollstreckung angeordnet. Testamentsvollstrecker sollte der überlebende Ehegatte sein, und zwar auch hinsichtlich der Vermächtnisse. Alle Verfügungen wurden als wechselbezüglich bestimmt, wobei es jedem von ihnen frei stehe, Vermächtnisse in Höhe von maximal 10 % des Wertes seines Nachlasses auszusetzen. Zu den Einzelheiten wird auf das gemeinschaftliche Testament (Beiakte – BA – des AG Lichtenberg 61 Q IV 178/15, Bl 30 ff) verwiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat ihren Erbscheinsantrag ursprünglich nicht auf dieses Testament, sondern auf eine spätere letztwillige Verfügung vom 25.3.1997 gestützt und einen Erbschein beantragt, der sie, gestützt auf die Verfügung vom 25.3.1997, als befreite Vorerbin und die Enkelkinder als Nacherben mit den entsprechenden Quoten ausweisen sollte. Zu den Einzelheiten wird auf die Urkunde des Notars Dr. ... vom 14.4.2014 (URNr. S 0804/2014 = Bl I/7 ff d. A.) verwiesen. Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei den als letztwillige Verfügung vom 25.3.1997 eingereichten Schriftstücken um ein neues gemeinschaftliches Testament, einen bloßen Entwurf oder ein Einzeltestament des Erblassers handelt. Die eingereichten Unterlagen bestehen aus drei losen, von dem Erblasser eigenhändig beschriebenen Blättern Papier ohne Blattzahlen. Auf Bl 24 – 26 der BA wird verwiesen. Auf Bl 26 der BA findet sich als Abschluss die Datumsangabe des "25.3.1997". Es folgt die Unterschrift des Erblassers, unter der sich als Abschluss am Ende der Seite folgende handschriftlichen Worte finden: "einverstanden E... ...".
Bl 24 der BA ist überschrieben mit: "T (E...)"
Diese Seite ist doppelseitig beschrieben und trägt weder auf der Vor- noch auf der Rückseite eine Unterschrift. Danach sollen Vorerben die gemeinsamen Enkelkinder des Erblassers und der Beteiligten zu 1) Ben ..., Bea... und D ... sowie etwaige weitere Geschwister zu je ½ sein, wobei der Enkel D ... einen Anteil von ½ erhalten sollte sowie die Geschwister Ben ... und Bea ... gemeinsam die andere Hälfte. Die Vorerbschaft sollte mit einem lebenslangen Nießbrauch "zunächst von F ..." (Erblasser), dann der Töchter J... und I... zu je ½ belastet sein. Ferner ist Verwaltungstestamentsvollstreckung angeordnet, die zunächst auch von "F ..." wahrgenommen werden sollte. Nacherbfall sollte der Tod eines Vorerben sein. Nacherben sollten die jeweiligen Geschwister der Vorerben bzw. die weiteren Vorerben sein. Der Text ist mit den Nr. 1–4 gegliedert. Blatt 25 der BA ist überschrieben mit:
Der weitere Text lautet:
Zitat
"1. Vorerbin E... (befreite) 2. Nacherben zu je ½ Ben... und Bea... "
und | |
D ...
3. Über die Nacherbschaft wird Verwaltungstestamentsvollstr. angeordnet und zwar bis letzter Nacherbe 35 Jahre alt geworden ist. ...“
Unter Nr. 4 ist dann geregelt, wer Ersatzerbe wird, Nr. 5 enthält eine Nießbrauchsbestellung an der Nacherbschaft zugunsten der Töchter I ... und J ... . Unter Nr. 6 findet sich eine Nutzungsanordnung für die Wohnung. Es folgen dann die oben zitierten Unterschriften der Eheleute sowie das Einverständnis der Beteiligten zu 1).
Der Erblasser verfass...