Die vorliegenden Überlegungen konsequent fortgeführt, dürften Widerrufsvergleiche vor dem Familiengericht, die zwar grundsätzlich der Umdeutung in einen Erbvertrag zugänglich sein mögen, generell an den §§ 2274, 2276, 2302 BGB scheitern:
Da grundsätzlich notarielle Beurkundung in Anwesenheit beider Teile vor dem Notar vorausgesetzt wird zum Abschluss eines Erbvertrags nach §§ 2276 2231 Nr.1 BGB, und man als Ausnahme hiervon über eine Umdeutung im Rahmen des "favor testamenti" zur Thematik gelangt, den familiengerichtlichen Vergleich in Form eines Erbvertrags zu "retten", wird man die formellen Anforderungen nicht übermäßig erweichen dürfen.
Dies vorausgeschickt, sind beim Abschluss eines Widerrufsvergleichs vor dem Familiengericht folgende Konstellation denkbar:
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der Erblasser ist nicht persönlich vor Ort; |
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beide Vergleichsparteien sind nicht persönlich bei der mündlichen Verhandlung vor Ort; |
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beim Abschluss eines familiengerichtlichen Vergleichs ist der Erblasser vor Ort in der mündlichen Verhandlung, der andere Teil, der kein Erblasser ist, aber nicht, |
beide Teile sind vor Ort, wollen aber eine Widerrufsmöglichkeit.
In allen drei erstgenannten Konstellationen ist jedenfalls niemals "gleichzeitige Anwesenheit beider Teile" in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht gegeben, sodass schon deswegen ein familiengerichtlicher Vergleich als Widerrufsvergleich nicht in einen Erbvertrag umgedeutet werden könnte. Darüber hinaus ist der persönliche Abschluss gemäß dem § 2274 BGB überaus kritisch zu sehen in einer solchen Konstellation, gleich in welchem der drei vorstehenden erstgenannten Sachverhalte:
Ein Widerrufsvergleich ist regelmäßig so gefasst, dass er durch das "Nicht-Widerrufen" Wirkung und Wirksamkeit entfaltet. Ein "Nicht-Widerrufen" ist letztlich ein Schweigen, und vor diesem Hintergrund ist es überaus fraglich, ob Schweigen überhaupt als Rechtshandlung, noch dazu als solche im Rahmen eines entsprechend persönlichen Erbvertragsabschlusses (nach den §§ 2276, 2274 BGB) gedeutet werden könnte. Dies wird wohl zu verneinen sein.
Damit ist auch der Fall, in dem beide Teile zwar anwesend sind, aber eine Widerrufsmöglichkeit vorhalten wollen, entsprechend zu behandeln: Die §§ 2274, 2276 BGB sehen im Regelfall des Abschlusses eines Erbvertrags eine gleichzeitige Anwesenheit beider Teile vor dem Notar vor. In einem solchen Erbvertrag kann auch keine "Widerrufsfrist" neben den gesetzlichen Möglichkeiten der §§ 2292 ff BGB vorgesehen werden, damit auch erst recht nicht ein "Widerrufsvergleich-Erbvertrag".
Daher werden Widerrufsvergleiche wohl nicht wirksam umgedeutet werden können in einen Erbvertrag, wenn diese ansonsten gegen § 2302 BGB verstoßen.