Leitsatz
Dem Käufer steht ein Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung des notariellen Kaufvertrages zu, wenn der Verkäufer einer Eigentumswohnung arglistig die Zerstrittenheit innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft verschweigt, da dies eine offenbarungspflichtige Tatsache ist.
Sachverhalt
Die Erwerberin einer Eigentumswohnung begehrt im Wege des Schadensersatzes die Rückgängigmachung des Kaufvertrages. Die entsprechende Wohnung gehört zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die aufgrund nachhaltiger Streitigkeiten in zwei Lager gespalten ist. Allein in den letzten Jahren kam es zu weit über 100 WEG-Verfahren, da entweder Wohngeld nicht bezahlt wurde oder aber Eigentümerbeschlüsse angefochten wurden. Allein für das Jahr 1993 erhob der Verwalter eine Sonderumlage für Rechtsverfolgungskosten in Höhe von ca. DM 40.000,-. Wegen der Streitigkeiten der beiden Eigentümergruppen wurde bereits durch Beschluß des Amtsgerichts ein Notverwalter bestellt. Dies wurde notwendig, weil sich der bisherige Verwalter einer der beiden streitenden Gruppen angeschlossen hatte.
Entscheidung
Der Schadensersatzanspruch der Erwerberin besteht und zwar entweder aus dem Gesichtspunkt des arglistigen Verschweigens der Mangelhaftigkeit des Kaufobjekts oder aber wegen eines Verschuldens bei Abschluß des Kaufvertrages.
Um einen Schadensersatzanspruch der Erwerberin wegen arglistigen Verschweigens eines Fehlers zuzubilligen, müßte man in den Streitigkeiten innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Sachmangel der Kaufsache sehen. Ein derartiger Sachmangel liegt stets dann vor, wenn der tatsächliche Zustand des Kaufgegenstandes von dem vertraglich vereinbarten oder gewöhnlichen Zustand derartiger Gegenstände abweicht. Ein Fehler kann dabei in der körperlichen Beschaffenheit der Sache begründet sein oder in deren Beziehungen zur Umwelt liegen. Hierfür ist dann aber erforderlich, daß diese Beziehungen, seien sie tatsächlicher, rechtlicher, wirtschaftlicher oder sozialer Natur, in der Beschaffenheit der Sache selbst ihren Grund haben. Hinsichtlich der Streitigkeiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist hingegen bei den Obergerichten heftig umstritten, ob dies zur Annahme einer Fehlerhaftigkeit der Kaufsache führt. Das OLG Düsseldorf hat vorliegend eine Fehlerhaftigkeit der Kaufsache ausgeschlossen.
Dies ändert jedoch nichts am Bestehen des Schadenersatzanspruchs der Erwerberin. Denn die Verkäuferin hätte die Erwerberin über den Streit innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen der Vertragsverhandlungen auch ungefragt aufklären müssen. Es besteht zwar keine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entscheidung des anderen Teiles von Bedeutung sein können, denn letztlich ist es Sache der jeweiligen Partei, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen. Die Grenze ist hier jedoch - wie so oft - dann zu ziehen, wenn der Vertragspartner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung entsprechende Aufklärung erwarten durfte.
Eine Aufklärungspflicht ergibt sich sicherlich nicht aus dem normalen Umstand heraus, daß es auch einmal zwischen Mitgliedern einer Eigentümergemeinschaft "menschelt". Liegen aber derart außergewöhnliche Fälle vor, muß in das Verkaufsgespräch auch ungefragt einfließen, daß die Streitigkeiten das Maß üblicher Auseinandersetzungen zwischen Wohnungseigentümern bei weitem überschreiten. Letztlich sind in diesem Zusammenhang zwar auch zwischenmenschliche Aspekt zu berücksichtigen, eine weitaus größere Rolle spielen jedoch die erheblichen Belastungen in wirtschaftlicher Hinsicht, wenn man berücksichtigt, daß immer wieder Sonderumlagen wegen Rechtsverfolgungskosten notwendig werden und fortlaufend die Gefahr besteht, daß notwendige Maßnahmen wegen der Anfechtung der jeweiligen Beschlüsse nicht zeitgerecht durchgeführt werden können.
Letztlich stellt sich das Verhalten der Verkäuferin auch als arglistig dar. Denn nach der Lebenserfahrung muß nun einmal davon ausgehen, daß die Erwerberin den Vertrag sicherlich nicht in Kenntnis der wahren Sachlage geschlossen hätte. Und dies mußte der Verkäuferin bewußt sein, waren die Streitigkeiten doch - unterstellt - sicherlich ein Grund für den Verkauf der Wohnung.
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.12.1996, 9 U 92/96
Fazit:
Letztlich also unerheblich, ob nun arglistiges Verschweigen eines Fehlers vorliegt oder ein Verschulden im Rahmen des Vertragsschlusses durch Verschweigen einer zu offenbarenden Eigenschaft, die Erwerberin konnte im Wege des Schadensersatzes den Kaufvertrag rückgängig machen. Dies erscheint auch im Gegenzug zur etwa vereinbarten Zustimmungsverweigerung Dritter beim Erwerb einer Eigentumswohnung nur recht und billig. Denn will man auf der einen Seite die Hausgemeinschaft vor störenden Eindringlingen bewahren, muß es auch potentiellen Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft möglich sein, sich vor einer störenden Hausgemeinschaft zu schützen.