Leitsatz

Ein 13-jähriger Junge hatte Strafanzeige gegen seine Mutter erstattet. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin beim VormG die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft für das minderjährige Kind beantragt. Das VormG hatte den Antrag auf Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis Zustimmung zur Aussage im Ermittlungsverfahren gegen die Mutter und zur Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss legte die Staatsanwaltschaft bei dem LG befristete Beschwerde ein, die in der Sache Erfolg hatte.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hob den Beschluss des VormG auf und ordnete die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft für das minderjährige Kind mit dem Aufgabenkreis Zustimmung zur Aussage im Ermittlungsverfahren und zur Geltendmachung eines Zeugnisverweigerungsrechts an.

Das Beschwerdegericht begründete seinen Beschluss mit der Absicht der Staatsanwaltschaft, das minderjährige Kind im Ermittlungsverfahren gegen seine Mutter als Zeugen zu vernehmen. Nach § 161a Abs. 1 S. 2 StPO i.V.m. § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO steht dem Kind in diesem Verfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Im Hinblick darauf, dass der Junge erst 13 Jahre alt ist, habe die zu vernehmende Stelle daher zu prüfen, ob der Minderjährige die erforderliche Verstandesreife besitze, um die Bedeutung und Tragweite des Zeugnisverweigerungsrechts zu erkennen. Sollte dies nicht der Fall sein, darf das Kind nur dann vernommen werden, wenn es zur Aussage bereit ist und sein gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt gem. § 52 Abs. 2 S. 1 StPO.

Die Kindesmutter hat das Sorgerecht nach §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB für das vormals in ihrer Obhut lebende minderjährige Kind ausgeübt. Sie ist daher ebenso wie der möglicherweise noch vorhandene, andere mitsorgeberechtigte Elternteil, von der gesetzlichen Vertretung des Jungen bei der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 Abs. 2 S. 2 StPO kraft Gesetzes ausgeschlossen.

Will das Kind aussagen und fehlt ihm die erforderliche Einsicht in die Bedeutung seines Zeugnisverweigerungsrechts, bedarf es demzufolge bei der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts eines Ergänzungspflegers. Insoweit ist anerkannt, dass die Entscheidung darüber, ob der minderjährige Zeuge bereits die notwendige Verstandesreife besitzt, um die Bedeutung und Tragweite seines Rechtes zu erfassen, vom Ermittlungsrichter oder dem im Ermittlungsverfahren vernehmenden Staatsanwalt getroffen werden muss. Diese Behörden haben über die Zeugenaussage im Ermittlungs- bzw. Strafverfahren zu befinden, das VormG ist an deren Entscheidung über die Frage der Verstandesreife des Zeugen gebunden.

Im Hinblick auf die eigene Strafanzeigenerstattung des Kindes durfte das VormG von dessen grundsätzlicher Aussagebereitschaft ausgehen. Darüber hinaus haben sowohl der zuständige Staatsanwalt als auch der Ermittlungsrichter, welcher die Vernehmung des minderjährigen Zeugen durchführen sollte, Veranlassung gesehen, um die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nachzusuchen. Demzufolge hätte nach Auffassung des OLG auch das VormG nach den Umständen des Falles davon ausgehen müssen, dass ein Bedürfnis für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft bestand.

Einer Anhörung des Kindes nach § 50b Abs. 1 FGG bedurfte es nach Auffassung zur Vermeidung der Belastung durch mehrfache Vernehmungen nach Auffassung des OLG nicht, auch von der persönlichen Anhörung der Kindeseltern bzw. der Kindesmutter nach § 50a Abs. 1 S. 2 FGG war abzusehen, weil diese bei der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts durch das Kind kraft Gesetzes gem. § 52 Abs. 2 S. 2 StPO von der Personensorge ausgeschlossen ist.

Im Übrigen wäre nach Auffassung des OLG eine Aufklärung der entscheidungserheblichen Fragen auch durch eine persönliche Anhörung der Kindesmutter wegen des auf der Hand liegenden Interessenwiderstreits nicht zu erwarten gewesen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Naumburg, Beschluss vom 25.08.2005, 14 UF 64/05

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