StVG § 3 Abs. 1 S. 2; FeV § 46 Abs. 1, Abs. 5 S. 2; FeV Anlage 4; Richtlinie 91/439/EWG Art. 8 Abs. 2; Richtlinie 2006/126/EG Art. 7 Abs. 5, Art. 11 Abs. 4 S. 2
Leitsatz
1. Die vom EuGH statuierte Pflicht zur unbedingten und voraussetzungslosen gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen innerhalb der Europäischen Union bedeutet grundsätzlich, dass Umstände, die vor der Erteilung einer Fahrerlaubnis in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eingetreten sind, nicht dazu führen dürfen, dass diese Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht anerkannt wird. (EuGH v. 6.4.2006, C-227/05, "Halbritter", zfs 2006, 416; v. 28.9.2006, C-340/05, DAR 2007, 77). Allerdings hat der EuGH auch betont, dass der Aufenthaltsstaat seine nationalen Regeln über die Einschränkung und den Entzug einer Fahrerlaubnis dann wiederum anwenden darf, wenn ein Verhalten des Betroffenen nach dem Erwerb der Fahrerlaubnis zu beurteilen ist. Derartige Umstände, die nach Erteilung der Fahrerlaubnis durch einen Mitgliedstaat eingetreten sind, dürfen von einem anderen Mitgliedstaat unter Anwendung seines nationalen Führerscheinrechts zur Einschränkung oder zum Entzug der Fahrerlaubnis führen (EuGH vom 6.4.2006, a.a.O., vom 28.9.2006, a.a.O.).
2. Hätte nach den genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs die Behörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht verlangen dürfen, da Grundlage hierfür ein Verhalten war, das vor Ausstellung der Fahrerlaubnis durch einen anderen Mitgliedstaat war und legt der Betroffene dennoch ein Gutachten vor, so schafft das beigebrachte medizinisch-psychologische Gutachten nach deutschem Recht eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat. Auf die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung kommt es dann nicht mehr an.
(Leitsätze der Schriftleitung)
VG Augsburg, Urt. v. 17.7.2007 – Au 3 K 06.1018 (nicht rechtskräftig)
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch machen zu können.
1. Dem Kläger wurde die Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alte Klasseneinteilung) nach einer Trunkenheitsfahrt vom 15.9.1991 (mittlere Blutalkoholkonzentration/BAK: 1,73 Promille) rechtskräftig vom Strafgericht entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Der Kläger erwarb im Folgenden keine deutsche Fahrerlaubnis mehr. Wegen einer weiteren Trunkenheitsfahrt am 26.2.1999 (BAK 1,47 Promille) wurde er erneut rechtskräftig strafrechtlich belangt. Ebenso wurde er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 12.4.1994, 17.3.1998, 26.2.1999, 27.4.1999 und 14.11.2002 rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Am 16.12.2004 wurde dem Kläger eine Fahrerlaubnis durch Behörden der Tschechischen Republik für die Klasse B erteilt. Mit Schreiben vom 14.12.2005 wurde der Kläger aufgefordert, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Der Kläger legte das geforderte Gutachten vom 31.3.2006 vor. Es kommt zu dem Ergebnis, dass zu erwarten sei, dass der Kläger auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und/oder es lägen als mögliche Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kfz infrage stellten wie auch zu erwarten sei, dass der Kläger zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde.
Mit Bescheid vom 12.6.2006 wurde dem Kläger das Recht aberkannt, von der tschechischen Fahrerlaubnis der Klasse B in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen; gleichzeitig wurde er verpflichtet, den Führerschein bis spätestens 22.6.2006 dem Landratsamt vorzulegen; für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250 EUR angedroht. Die Straßenverkehrsbehörde sei berechtigt, auf Grund von Tatsachen, die nach Ausstellung einer im EU-Ausland ausgestellten Fahrerlaubnis entstanden seien, das Recht abzuerkennen, von dieser Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Das vorgelegte medizinisch-psychologische Gutachten stelle eine solche Tatsache dar. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
“Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid des Landratsamtes vom 12.6.2006 und der Widerspruchsbescheid der Regierung vom 24.7.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
1. Der Klage fehlt hinsichtlich der verfügten Aberkennung des Rechts, von der (tschechischen) Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, nicht das Rechtsschutzbedürfnis wegen Fehlens einer in jedem Fall erforderlichen, aber nicht erteilten Genehmigung zum Gebrauchmachen von der ausländischen Fahrerlaubnis nach § 28 Abs. 5 FeV. Gegen die Zulässigkeit kann der Gedanke nicht eingewandt werden, dass die Klage – selbst bei Aufhebung der angefochtenen Bescheide – nicht zu einer Fahrberechtigung führe, da die erforderliche Genehmigung zum Gebrauchmachen der ausländischen ...