ARB 75 § 4 (1) i
Leitsatz
Unter den Ausschluss von Ansprüchen aus dem Bereich des Erbrechts fallen Ansprüche auf Grund von eine Erbfolge vorwegnehmenden "Übergabeverträgen" nicht.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.9.2007 – 12 U 27/07
Sachverhalt
Der Bruder der Ehefrau des Klägers hat in einem notariellen Übergabevertrag von seiner Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück zu Alleineigentum übernommen und sich gegenüber der Ehefrau des Klägers und einer weiteren Schwester verpflichtet, spätestens zwei Monate nach dem Ableben der Mutter einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 1/3 des Verkehrswerts auszuzahlen. Nach dem Tod der Mutter entstand Streit über den Verkehrswert. Der beklagte Rechtsschutzversicherer verweigert eine Deckungszusage.
Aus den Gründen
“ … Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf den für seine mitversicherte Ehefrau begehrten Versicherungsschutz. Deren gegen ihren Bruder beabsichtigte Klage betrifft keine vom Versicherungsschutz nach § 4 (1) i ARB 75 ausgeschlossene Wahrnehmung von Interessen aus dem Bereich des Erbrechts.
1. Der wirtschaftliche Zweck der Ausschlussklausel mag durchaus darin bestehen, die besonders “streitträchtigen’ Rechtsgebiete des Erb- und Familienrechts vom Versicherungsschutz auszuklammern, da sie für den Versicherer nicht überschaubare und nicht berechenbare Risiken darstellen, die eine vernünftige, wirtschaftliche Prämienkalkulation sehr stark erschweren oder gar unmöglich machen und sich vor allem mit dem Bestreben nicht vertragen würden, die Beiträge möglichst niedrig und damit für die Masse der in Betracht kommenden Versicherungskunden akzeptabel zu gestalten (Harbauer/Maier, § 4 ARB75, Rn 1 mit Hinweis auf BGH NJW 1976, 106).
Es wird auch zutreffen, dass der Ehefrau des Klägers ihre Rechtsposition gerade mit Rücksicht auf ihre Stellung als gesetzliche Erbin ihrer Mutter eingeräumt worden ist. Das Anwesen wurde einem der drei gesetzlichen Erben zu Alleineigentum übertragen, wobei die Interessen der beiden anderen Kinder, die im Vertrag auf Seite 1 als “die weichenden Erben’ bezeichnet werden, durch den Anspruch auf ein Gleichstellungsgeld in Höhe eines Drittels des Verkehrswertes berücksichtigt wurden. Die Vertragsparteien selbst fassten diese Regelungen in Ziffer 2 des Vertrages unter der Überschrift “vorweggenommene Erbfolge’ zusammen. Der in Streit stehende Anspruch gründet somit auf einem Rechtsgeschäft, in dem die Übergeberin als (künftige) Erblasserin schon zu ihren Lebzeiten einen Teil ihres Vermögens auf ihren Sohn als einen der gesetzlichen Erben übertragen und diesen zur Zahlung eines Gleichstellungsbetrages an seine beiden Schwestern, den weiteren gesetzlichen Erben, verpflichtet hat.
2. Dennoch fällt die Wahrnehmung von Rechten aus dem Vertrag vom 27.3.2003 nicht unter die Risikoausschlussklausel.
a. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und in Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs sie verstehen muss. Es kommt auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH VersR 1993, 957; VersR 2002, 1503). Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm dies hinreichend verdeutlicht wird (BGH VersR 2001, 489; VersR 2003, 454). Auf die Entstehungsgeschichte einer Klausel, die der Versicherungsnehmer regelmäßig nicht kennt, kann zu seinem Nachteil nicht verwiesen werden (BGH zfs 1996, 261). Ohne Bedeutung für die Auslegung bleiben ferner Gesichtspunkte, die etwa aus der Gesetzessystematik abgeleitet werden können, weil sie sich dem Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei Durchsicht und Würdigung der Versicherungsbedingungen nicht erschließen (BGH VersR 2001, 489).
b. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird erkennen, dass sich der Ausschlusstatbestand mit der Formulierung “Bereich des Erbrechts’ der Begrifflichkeit der Rechtssprache bedient. Er wird davon ausgehen, dass der Versicherer sich mit seinem Regelwerk, wenn – wie hier – Hinweise auf einen abweichenden Willen nicht ersichtlich sind, diese Begrifflichkeit zu Eigen macht. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kommt somit nur dann in Betracht, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (so im Ergebnis ebenfalls: BGH VersR 2003, 1122; OLGR Saarbrücken 2006, 284; Harbauer/Bauer, Vor § 1 ...