Leitsatz (amtlich)

Der Risikoausschluss in § 4 Abs. 1i ARB 75 für die "Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich ... des Erbrechtes" betrifft nicht die Übertragung von Vermögen (oder eines wesentlichen Teiles davon) durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als (künftige) Erben in Aussicht genommene Empfänger im Wege der vorweggenommenen Erbfolge.

 

Normenkette

ARB 75 § 4 Abs. 1; BGB § 305c Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Urteil vom 18.01.2007; Aktenzeichen 3 O 173/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Heidelberg vom 18.1.2007 - 3 O 173/06 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zur bedingungsgemäßen Übernahme der Kosten für die Geltendmachung des vertraglichen Anspruchs der mitversicherten Ehefrau des Klägers, Frau Hannelore H, aus dem Übergabevertrag vom 27.3.2003, UR Nr. ... des Notars Dirk O mit dem Amtssitz in W, aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrages Nr. PRS.., verpflichtet ist.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger unterhält bei der A-Versicherungs-Aktiengesellschaft seit dem 1.10.2001 auf der Grundlage der ARB 75 eine Rechtsschutzversicherung, die Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen nach § 26 Abs. 4 ARB 75 umfasst. Die Regulierung von Versicherungsfällen erfolgt für den Versicherer durch die Beklagte.

Der Bruder der Ehefrau des Klägers hatte in einem notariellen Übergabevertrag vom 27.3.2003, Notariat W,... von seiner Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück zu Alleineigentum übernommen und sich ggü. der Ehefrau des Klägers und einer weiteren Schwester verpflichtet, spätestens zwei Monate nach dem Ableben der Mutter einen Ausgleichsbetrag i.H.v. 1/3 des Verkehrswertes auszuzahlen.

Am 24.7.2005 verstarb die Übergeberin. Ausgehend von einem Verkehrswert von 20.000 EUR bezahlte der Bruder an die Ehefrau des Klägers einen Betrag von 6.666,66 EUR. Die Ehefrau des Klägers geht von einem Verkehrswert von 150.000 EUR aus und beabsichtigt, ihren Bruder auf Zahlung weiterer 43.333,34 EUR in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte verweigerte die Erteilung einer Deckungszusage unter Hinweis auf die Risikoausschlussklausel in § 4(1)i ARB 75, die bestimmt:

"Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Familienrechtes und des Erbrechtes."

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zur bedingungsgemäßen Übernahme der Kosten für die Geltendmachung des vertraglichen Anspruchs der mitversicherten Ehefrau des Klägers, Frau Hannelore H, aus dem Übergabevertrag vom 27.3.2003,... des Notars Dirk O mit dem Amtssitz in W, aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrages Nr. PRS ..., verpflichtet ist.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Anspruch der Ehefrau des Klägers unterfalle dem Risikoausschluss. Hierunter fielen spezifisch erbrechtliche Ansprüche aller Art, unabhängig davon, ob sich die Anspruchsgrundlage formal aus einem Vertrag oder unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Entscheidend sei, ob das Rechtsverhältnis in den Bereich des Erbrechts gehöre. Vorliegend gehe es um eine Rechtsposition, die der Ehefrau des Klägers mit Rücksicht auf ihr Erbrecht als Tochter der Übergeberin in dem Übergabevertrag eingeräumt worden sei. Es handele sich um einen Ausgleichsbetrag für eine vorzeitige Nachlassübergabe zu Lebzeiten der Erblasserin. Wenn die Interessenwahrnehmung aus dem Bereich eines bestimmten Rechtsgebiets ausgeschlossen sei, ergebe sich aus dieser weiten Wortfassung, dass konkurrierende Ansprüche aus nicht ausgeschlossenen Rechtsgebieten dann nichts am Ausschluss änderten, wenn sich die Interessenwahrnehmung nicht überwiegend auf die Vertretung der nicht ausgeschlossenen Ansprüche stütze. Daraus folge, dass der Risikoausschluss gem. § 4(1) i ARB 75 als Bereichsausnahme weit auszulegen sei. Da Verträge in nahezu allen Rechtsgebieten geschlossen werden könnten, sei die Herkunft des Anspruches aus einem Vertrag kein hinreichend deutliches Abgrenzungskriterium. Andererseits sei der hier streitgegenständliche Übergabevertrag aber ein typischer Vertrag zur Regelung erbrechtlicher Rechtsfragen. Somit stamme die Angelegenheit, für die der Kläger Rechtsschutz begehre, aus dem Bereich des Erbrechts und sei vom Versicherungsschutz nicht umfasst.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klagbegehren in vollem Umfang weiter verfolgt.

II. Die Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf den für seine mitversicherte Ehefrau begehrten Versicherungsschutz. Deren...

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