ALB 86 § 12 § 13; InsO § 166 Abs. 2 § 171
Leitsatz
1. Versicherungsagenten können Empfangsboten sein, auch wenn (abweichend von § 43 Nr. 2 VVG) in den Versicherungsbedingungen (wie z.B. in § 12 Abs. 1 S. 3 ALB 86) bestimmt ist, dass die Agenten zur Entgegennahme von Erklärungen nicht "bevollmächtigt" sind. Leitet ein solcher Agent eine ihm vom Versicherungsnehmer übergegebene Erklärung nicht an den Versicherer weiter, ist diese Erklärung dem Versicherer im Rechtssinne zugegangen zu dem Zeitpunkt, zu welchem nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge mit dem Eingang dort zu rechnen war.
2. Als schriftliche Anzeige einer Abtretung durch den bisher Berechtigten (§ 13 Abs. 4 S. 1 ALB 86) genügt es, wenn der abtretende Versicherungsnehmer eine von ihm und dem Abtretungsempfänger unterschriebene Abtretungsvereinbarung dem Versicherer übergibt.
3. Hat der Versicherungsnehmer Ansprüche aus einer Lebensversicherung zur Sicherheit an einen Dritten abgetreten und wird über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist der Insolvenzverwalter gem. § 166 Abs. 2 InsO befugt, die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufswert einzuziehen. Der absonderungsberechtigte Abtretungsempfänger hat einen Anspruch auf Auskehrung des Rückkaufswerts abzüglich der Feststellungs- und Verwertungskosten des Insolvenzverwalters gem. § 171 InsO.
OLG Hamm, Urt. v. 25.1.2008 – 20 U 89/07
Sachverhalt
Die Kläger gewährten ihrem Schwiegersohn … im März 2003 Darlehen von insgesamt 50.000 EUR. Anschließend vereinbarten sie mit diesem unter dem 30.3.2003 schriftlich, dass er "zur Absicherung" Ansprüche aus drei bei der Beklagten genommenen Lebensversicherungen an sie abtrete. Der Schwiegersohn der Kläger (im Folgenden: Versicherungsnehmer) übergab an einem der folgenden Tage ein Exemplar der Abtretungsvereinbarung dem Agenten A der Beklagten. Der Agent erklärt, damit sei alles in Ordnung. Die Abtretungsvereinbarung wurde der Beklagten nicht zugeleitet.
Über das Vermögen des Versicherungsnehmers wurde im November 2004 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter, der in erster Instanz diesem Rechtsstreit auf Seiten der Kläger beigetreten ist, erklärte die Kündigung der Versicherungsverträge und verlangte Auszahlung des Rückkaufswerts an sich.
Aus den Gründen
Aus den Gründen:„ … Im Ergebnis zu Recht hat das LG Klage abgewiesen. Auch der in dieser Instanz hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unbegründet.
1. Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen (Erfüllungs-)Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts. Allerdings war die Sicherungsabtretung der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen an die Kläger – entgegen der Auffassung des LG – wirksam. Die Ansprüche sind aber durch die Auszahlung an den gem. § 166 Abs. 2 InsO einziehungsbefugten Insolvenzverwalter erloschen.
a) Die Sicherungsabtretung der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen an die Kläger war wirksam.
aa) Zur Anzeige der Abtretung genügte die Übermittlung der schriftlichen Abtretungsvereinbarung durch den Versicherungsnehmer an die Beklagte. So wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf welchen bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen abzustellen ist (vgl. nur BGHZ 123, 83), die Klausel verstehen, wonach die Abtretung der Beklagten durch den Berechtigten schriftlich anzuzeigen ist. Es war nicht etwa erforderlich, dass der Versicherungsnehmer zudem ein Begleitschreiben unterzeichnete und die Abtretung ausdrücklich “anzeigte’ (vgl. hierzu auch BGH, VersR 1993, 1219). Auch die Beklagte selbst hat solches nicht geltend gemacht.
bb) Die Abtretungsvereinbarung ist der Beklagten im Rechtssinne zugegangen noch im April 2003.
(1) Ihr Agent war zwar nicht Empfangsbevollmächtigter, er war aber nach der Rspr. des Senats Empfangsbote (VersR 2001, 1499 …).
Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder nach der Verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist (vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 120 Rn 9). Jedenfalls Letzteres trifft, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert und auch von der Beklagten selbst nicht bestritten worden ist, für den Agenten zu, welcher auch sonst (etwa bei Schadensfällen im Bereich von Sachversicherungen) Erklärungen für den Versicherer entgegennimmt und u.a. unterdessen Firmenlogo auftritt. Die Versicherungsnehmer gehen, wie der (ausschließlich für Versicherungssachen zuständige) Senat aus einer Vielzahl von Verfahren weiß, jedenfalls davon aus, dass sie Erklärungen an den Versicherer in dessen Einverständnis einem Agenten zur Weiterleitung an den Versicherer übergeben können.
Dem steht nicht entgegen, dass in den Versicherungsbedingungen bestimmt wurde, dass die Agenten zur Entgegennahme von Erklärungen nicht “bevollmächtigt’ sind und (vgl. BGHZ 141, 137) diese Regelungen wirksam sind. Damit ist nach der Rspr. des Senats (VersR 2001, 1499) nur die Empfangsvollmacht des § 43 Nr. 1 VVG abbedungen; es ist also (soweit nicht besondere Grundsätze greifen) für die Auslegung einer Erklärung nicht auf...