Unabhängig von der Frage, ob in der besonderen Situation des Einzelfalls ein "Unfallersatztarif" erstattungsfähig ist, muss der Tatrichter immer erst den "Normaltarif" ermitteln. Denn entweder ist ohnehin nur dieser erstattungsfähig oder der ermittelte "Normaltarif" ist mit dem nach § 287 ZPO zu schätzenden Aufschlag zu erhöhen. Es stellt sich daher die Frage, anhand welcher Kriterien man nun den "Normaltarif" ermittelt.
In der Praxis wurde die Schwacke-Liste lange Zeit als taugliche Schätzgrundlage angesehen. Auch der BGH hat diese Liste immer wieder als taugliche Schätzgrundlage anerkannt. Allerdings hat der BGH die berechtigte Kritik an der Schwacke-Liste aufgenommen und mit Urt. v. 11.3.2008 entschieden, dass grundsätzlich Einwendungen gegen diese Liste als Schätzgrundlage zulässig sind. Weiterhin hat der BGH mit Urt. v. 14.10.2008 festgestellt, dass die Gerichte ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund erhobener Einwendungen gegen die Schwacke-Liste 2006 diese als Schätzgrundlage ablehnen können. Allerdings müssen die Einwendungen auf den konkreten Fall bezogen sein. Insbesondere muss mit konkreten Tatsachen aufgezeigt werden, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben. Dies ist nunmehr mithilfe der Studie des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation möglich.
Die Kritik an der Schwacke-Liste 2006 richtete sich insbesondere gegen die angewandte Erhebungsmethodik und die hieraus folgende erhebliche Preissteigerung im Vergleich zu der aus dem Jahr 2003.
So hat das LG Chemnitz bereits in der Entscheidung vom 5.1.2007 folgende Worte gefunden, denen nichts hinzuzufügen ist und die eindeutig zeigen, dass die Schwacke-Liste 2006 eine untaugliche Schätzgrundlage ist:
"Die hier enthaltene ganz erhebliche Preissteigerung im Vergleich zur Schwacke-Mietpreisliste 2003 ist zunächst ohnehin nicht nachvollziehbar ( … ). Es liegt daher der Verdacht nahe, dass tatsächlich Mietpreisunternehmen in Kenntnis der BGH-Rechtsprechung nunmehr höhere Tarife anmelden bzw. Unfallersatztarife als Normaltarife anmelden, und so eine – durch den Herausgeber nicht auf ihre Realitätsnähe überprüfte – Preisanhebung veranlasst haben."
Auch das LG Dortmund hat bereits durch Urt. v. 14.6.2007 eine Schätzung anhand der Schwacke-Liste 2006 abgelehnt.
Die Ablehnung der Schwacke-Liste als taugliche Schätzgrundlage wurde zutreffend damit begründet, dass Schwacke bei der Erhebung der Mietpreise lediglich Preislisten der Mietwagenfirmen abgefragt hat. Eine Gegenkontrolle, z.B. durch Internetabfragen oder anonyme telefonische Anfragen, erfolgte nicht.
Schwacke begnügte sich damit, die Mietwagenfirmen anzuschreiben und darüber zu informieren, dass eine Neuauflage des Mietpreisspiegels erstellt werden solle. Mit gleichem Schreiben wurde ein Blankobogen mitübersandt, in der die Mietwagenfirmen ihre Preise sowohl in die Rubrik "Unfallersatztarif" als auch in die Rubrik "Normaltarif" eintragen sollten. Es bedarf keiner großen Phantasie um zu erahnen, dass die Mietwagenfirmen fiktive Preislisten zurückgesendet haben, um das reale Preisgefüge zu verschleiern und möglichst hohe Tarife abrechnen zu können. Gerade die nur im Unfallersatzgeschäft tätigen Mietwagenfirmen haben wohl die Möglichkeit genutzt und den bei Ihnen gar nicht erst existierenden "Normaltarif" frei gestaltet und nach oben korrigiert. Nur so sind auch die erheblichen, teilweise bis zu 30 %-igen Preissteigerungen zwischen den Mietpreisspiegeln 2003 und 2006 zu erklären.
Das Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation hat demgegenüber durch eine anonyme telefonische Befragung und einer gleichzeitigen Recherche im Internet in dem Zeitraum vom 19.2.2008 bis zum 16.4.2008 einen neuen Mietpreisspiegel erstellt. Es wurden ausschließlich Preise bei Anmietung und Rückgabe zu regulären Öffnungszeiten recherchiert. Wochenend- und Ferientarife wurden bei der Recherche außen vorgelassen, um Verwerfungen zu vermeiden. Aus dem selben Grund wurden auch Erhebungen über nicht repräsentative Internetplattformen wie beispielsweise www.mietwagenmarkt.de, www.billiger-mietwagen.de, www.holidayautos.de etc. unterlassen. Es wurden ausschließlich Tarife mit unbegrenzten Kilometern berücksichtigt. Zudem war in den recherchierten Tarifen jeweils eine Haftungsbefreiung mit typischer Selbstbeteiligung enthalten. Insgesamt wurden bei der telefonischen Befragung 4.350 Mietwagenstationen und bei der Recherche im Internet 1.529 Anmietstationen in die Erhebung mit einbezogen. Die Erhebung erfolgte also über den gesamten Markt. Lediglich Stationen an Flughäfen wurden nicht berücksichtigt. Auf Grund der anonymen Erhebung, der Nachstellung einer normalen Mietsituation sowie der enormen Vielzahl an ermittelten Daten spiegelt die Fraunhofer-Liste die wahre Marktsituation wider. Allein auf Grund dieser Liste ist es möglich, den "Normaltarif" zu schätzen.
Dies haben nunmehr auch mehrere Oberlandesge...