BGB § 280; VVG a.F. § 61 § 62; VGB 88 § 9 Nr. 4 lit. e
Leitsatz
Den Gebäudeversicherer trifft keine vertragliche Nebenpflicht zur umfassenden Feststellung des Schadenshergangs und des Schadensumfangs eines Feuchtigkeitsschadens.
OLG Jena, Urt. v. 17.9.2008 – 4 U 978/06
Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte, seinen Gebäudeversicherer wegen der durch braunen Schwamm bedingten Zerstörung eines Holzfußbodens und einer Holzbalkendecke in Anspruch. Im Dezember 2003 war in dem versicherten Anwesen ein Wasserschaden auf Grund einer Heizungsleckage im Obergeschoss festgestellt worden; der Kläger hatte Maßnahmen zu seiner Behebung getroffen. Im Sommer 2004 waren Möbel im Obergeschoss in den Fußboden eingesunken. Ein Sachverständiger hatte braunen Schwamm festgestellt. Das LG hat die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz wegen Verletzung der Nebenpflicht zur umfassenden Schadensfeststellung verurteilt, einen Feststellungsantrag indessen abgewiesen. Hiergegen wenden sich beide Parteien.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „… Ohne Erfolg in der Sache bleibt die Berufung des Klägers.
Zu Recht hat das LG den Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen. Eine – zumindest überschlägige – Bezifferung des Gesamtsanierungsaufwandes ist dem Kläger nicht nur möglich, sondern entgegen seinem Dafürhalten auch zumutbar. Die Klärung des Umfanges des nunmehr mehr als 3 ½ Jahre bekannten Hausschwammbefalles liegt im ureigenen Klägerinteresse und ist nach der plausiblen Einschätzung des Sachverständigen K auch ohne das von dem Kläger befürchtete “Aufreißen’ sämtlicher Fußböden, nämlich mittels endoskopischer Untersuchung der Holzböden möglich.
Soweit das LG die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat, leidet das Verfahren des ersten Rechtszuges an einem wesentlichen Mangel, auf dem das Urteil beruht (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Es fehlt an einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage. Zur Behebung dieses Mangels ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich. Der Rechtsstreit war tatsächlich noch nicht entscheidungsreif, als das LG dem Zahlungsantrag (teilweise) entsprochen hat. Mit Erfolg rügt die Beklagte die tragende Erwägung der von ihr angefochtenen Teilklagestattgabe als rechtsfehlerhaft. Die Beklagte haftet nicht aus § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz.
Der Versicherungsvertrag nach dem VVG enthält einen grundlegenden Unterschied zu dem sonstigen Vertragstypus des Allgemeinen Schuldrechts des BGB. Aus dem Gesamtgefüge der §§ 61 ff. VVG ergibt sich, dass vertragliche Obliegenheiten grundsätzlich nur den Versicherungsnehmer, nicht aber den Versicherer treffen. Mit der in den §§ 62, 63 VVG a.F. normierten (sog.) Rettungsobliegenheit – diese gelten für den gesamten Bereich der Schadensversicherung (Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 62 Rn 1) – wird der Versicherungsnehmer angehalten, die Entwicklung des Schadens nicht mit Blick auf die bestehende Deckung sich selbst zu überlassen, sondern in jedem Fall um seine Abwendung, und wenn dies nicht mehr möglich ist, um seine Eindämmung bemüht zu sein (BGH VersR 1972, 1039). Bei Eintritt des Versicherungsfalles verlangt § 62 VVG, dass der Versicherungsnehmer den Schaden abwendet oder mindert, also Rettungsmaßnahmen ergreift, wenn er den Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht verlieren will.
Dieser gesetzlichen Wertung von der Rettungsobliegenheit des Versicherungsnehmers läuft der Lösungsansatz des LG zuwider, die Beklagte habe ihre “versicherungsvertragliche Nebenpflicht’ verletzt, nach der Heizungsleckage im Jahr 2003 eine Feuchtigkeitsmessung des Fußbodens durchzuführen. Vielmehr wird die von dem LG festgestellte und den Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindende Feststellung einer “dem Kläger in Eigenregie überlassenen Schadensbeseitigung’ dem gesetzlichen Leitbild der (allein) den Versicherungsnehmer treffenden Rettungsobliegenheit gerecht. Ein zur Schadensersatzhaftung nach § 280 Abs. 1 BGB führender Tatbestand lässt sich daraus, dass die Beklagte keine eigenen Maßnahmen zur Schadensbeseitigung getroffen bzw. die Schadensbeseitigungsmaßnahmen des Klägers nicht auf ihre Geeignetheit überprüft hat, nicht herleiten.
Im Rahmen des § 62 VVG ist der Versicherer nicht verpflichtet, dem Versicherungsnehmer Weisungen darüber zu erteilen, wie der Schaden abgewandt oder gemindert werden kann. Der Versicherer hat nur ein Weisungsrecht, aber keine Weisungspflicht. Erteilt er dem Versicherungsnehmer Weisungen, können (nur) schuldhaft fehlerhafte Weisungen einen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers aus § 280 Abs. 1 BGB auslösen, wenn der dadurch entstandene Schaden die sonst geschuldete Versicherungsleistung übersteigt (BGH VersR 1984, 1161; Römer/Langheid, a.a.O., § 62, Rn 10). Eine solche schadenskausale schuldhaft fehlerhafte Weisung der Beklagten hat das LG aber nicht festgestellt. Eine solche hat selbst der Kläger erstinstanzlich nicht vorgetragen. Dementsprechend hat das LG gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit Bindungswirkung für den Senat nur eine dem Kläger in Eigenregie aus dem Vers...