StVG § 7 § 17; StVO § 8
1) Die Regeln der Straßenverkehrsordnung sind auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen grundsätzlich anwendbar. Inwieweit die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 StVO auf einem Parkplatz Anwendung findet, hängt davon ab, ob die Fahrspuren lediglich dem ruhenden Verkehr, d.h. dem Suchverkehr dienen, oder ob diese darüber hinaus Straßencharakter besitzen.
Entscheidend für diese Beurteilung sind die sich dem Kraftfahrer bietenden baulichen Verhältnisse, insbesondere die Breite der Fahrspuren sowie die Abgrenzung von den Parkplätzen. Dies ist dann gegeben, wenn die Parkplätze gesondert markiert sind und die Fahrspuren des Parkplatzes eine ausreichende Breite aufweisen, um zwei Fahrzeuge aneinander vorbei passieren zu lassen. Denn dies ermöglicht sowohl einen Begegnungsverkehr als auch das Vorbeifahren an einem äußerst langsam fahrenden Suchverkehr. Dadurch wird den Parkplatzbenutzern ein gewisser Straßencharakter vermittelt, der durch den Umstand, dass keine Fahrtrichtungspfeile vorhanden sind und die Fahrspuren umlaufend befahren werden können, verstärkt wird.
2) Das Rechtsfahrgebot des § 8 Abs. 2 StVO schützt nur den erlaubten Gegen- und Überholverkehr. Das Vorfahrtsrecht des Berechtigten erstreckt sich daher auf die gesamte Straßenbreite.
(Leitsätze der Einsenderin)
OLG Frankfurt, Urt. v. 8.9.2009 – 14 U 45/09
Die Parteien streiten über die Haftung im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich auf einem Parkplatz eines Einkaufsmarktes ereignet hat. Die Fahrspuren des Parkplatzes, auf dem sich der Unfall ereignete, wiesen eine ausreichende Breite auf, um zwei Fahrzeuge aneinander vorbei passieren zu lassen. Fahrtrichtungspfeile waren nicht vorhanden. Zu dem Zusammenstoß kam es, als der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug in die Fahrspur des von rechts kommenden Fahrzeuges der Klägerin fuhr.
Das LG gelangte zu einer hälftigen Auferlegung des Schadens der Klägerin auf die Beklagten, wobei es davon ausging, dass die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 StVO zu Gunsten der Klägerin keine Anwendung finde, weil der Unfallbereich keine Einmündung darstelle.
Das Berufungsgericht nahm zu Lasten der Beklagten einen der Haftungsabwägung zu Grunde zu legenden Vorfahrtsverstoß an und berücksichtigte zu Lasten der Klägerin lediglich die von ihrem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr.
Aus den Gründen:
“Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzbetrages in Höhe von insgesamt 3.478,19 EUR aus den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 StVG zu, von dem das LG bereits 2.158,87 EUR zuerkannt hat. Im Rahmen der nach § 17 Abs. 2 und Abs. 1 StVG erforderlichen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der am Unfall beteiligten Fahrzeugführer ergibt sich eine Haftungsquote von 80 % zu 20 % zu Lasten der Beklagten. Dass für die Klägerin ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 S. 1 StVG vorgelegen hätte, kann nicht festgestellt werden. Ein solches liegt vor, wenn der Fahrer jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt beachtet hat und so die Anforderungen an einen sog. Idealfahrer erfüllt (vgl. BGH NJW 1992, 1684). Hierzu gehört die Berücksichtigung aller möglichen Gefahrenmomente unter Einschluss auch erheblicher Verkehrsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer, die nach den konkreten Umständen in Betracht kommen können. Vorliegend hätte es den zustellenden Anforderungen entsprochen, mit einem von links in die von der Klägerin befahrene Fahrspur einfahrendes Fahrzeug zu rechnen. Hierbei ist unerheblich, ob für die Klägerin tatsächlich ein Vorfahrtsrecht bestand. Die Missachtung einer Vorfahrtsberechtigung durch einen anderen Verkehrsteilnehmer ist nicht so außergewöhnlich, dass sich für einen Idealfahrer im vorstehend beschriebenen Sinne außer Betracht bleiben könnte. Dies könnte allenfalls der Fall sein, wenn der Wartepflichtige dem Vorfahrtberechtigten im letzten Moment mit großer Geschwindigkeit unmittelbar vor das Fahrzeug fährt. Eine derartige Fahrweise des Beklagten zu 1) lässt sich indes nicht feststellen.
Bei der nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG erforderlichen Abwägung der Verursachungsanteile ist zu Lasten der Beklagten ein Verstoß gegen die Vorfahrtsregel ‘rechts vor links’ des § 8 Abs. 1 StVO einzustellen. Die Regeln der Straßenverkehrsordnung sind auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen grundsätzlich anwendbar. Inwieweit die Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 StVO auf einem Parkplatz Anwendung findet, hängt davon ab, ob die Fahrspuren lediglich dem ruhenden Verkehr, d.h. dem Suchverkehr dienen, oder ob sie darüber hinaus Straßencharakter besitzen. Entscheidend für diese Beurteilung sind die sich den Kraftfahrern bietenden baulichen Verhältnisse, insbesondere die Breite der Fahrspuren sowie ihre Abgrenzung von den Parkboxen (OLG Hamm, Urt. v. 15.2.2001 – 5 U 202/00 – zitiert nach Juris; OLG Düsseldorf NZV 2000, 263). Wie aus den in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ersichtlichen Lichtbildern sowie der Luftbildaufnahme ersichtlich ist, weisen die Fahrspuren des Parkpla...