BGB § 249 § 251
Der Geschädigte, dessen neuer Pkw erheblich beschädigt worden ist, kann den ihm entstandenen Schaden nur dann auf Neuwagenbasis abrechnen, wenn er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft hat.
BGH, Urt. v. 9.6.2009 – VI ZR 110/08
Die Klägerin hat den Beklagten auf den Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall in Anspruch genommen, bei dem der am Vortag des Unfalls zugelassene Pkw der Klägerin, den sie zu einem Preis von 97.379,30 EUR erworben hatte, der als Geschäftsfahrzeug eingesetzt wurde und eine Laufleistung von 607 Kilometer aufwies, im linken Seitenbereich erheblich beschädigt wurde. Streit besteht zwischen den Parteien, ob die Klägerin, die kein Ersatzfahrzeug angeschafft hat, auf Neuwagenbasis abrechnen darf.
Das LG wies die Klage auf Ersatz der fiktiven Kosten der Anschaffung eines Neuwagens ab, das Berufungsgericht bejahte einen solchen Anspruch. Der BGH entwickelte die Voraussetzungen für die Abrechnung auf Neuwagenbasis und verneinte die Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung.
Aus den Gründen:
[9] “… 2. Die Revision beanstandet aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Klägerin für berechtigt gehalten hat, den ihr entstandenen Schaden auf Neuwagenbasis zu berechnen. Der Klägerin steht jedenfalls derzeit kein über die bisherigen Zahlungen des Beklagten hinaus gehender Schadensersatzanspruch zu. …
[11] b) … Das Berufungsgericht hat Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt. Seine Annahme, der Geschädigte könne auch dann die für die Anschaffung eines fabrikneuen Ersatzfahrzeugs erforderlichen Kosten verlangen, wenn er ein solches Fahrzeug nicht angeschafft habe, ist mit dem nach schadensrechtlichen Grundsätzen zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot nicht zu vereinbaren.
[12] aa) Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend angenommen, dass sich der Eigentümer eines Neuwagens im Falle von dessen Beschädigung nicht immer mit der Erstattung der erforderlichen Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Ausgleichszahlung für den merkantilen Minderwert begnügen muss, sondern unter Umständen berechtigt sein kann, Ersatz der in aller Regel höheren Kosten für die Beschaffung eines gleichwertigen Neufahrzeugs zu verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 4.3.1976, VersR 1976, 732, 733; v. 3.11.1981, MDR 1982, 477 = VersR 1982, 163; v. 29.3.1983, VersR 1983, 658; v. 14.6.1983, MDR 1984, 40 = VersR 1983, 758, 759; v. 25.10.1983, VersR 1984, 46).
[13] (1) Gem. § 249 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Für die Berechnung von Fahrzeugschäden stehen dem Geschädigten regelmäßig zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Reparatur des Unfallfahrzeugs oder Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs. Zwischen diesen Wegen kann der Geschädigte grundsätzlich frei wählen. Denn nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens. Auf Grund der nach anerkannten schadensrechtlichen Grundsätzen bestehenden Dispositionsfreiheit ist er grundsätzlich auch in der Verwendung der Mittel frei, die er vom Schädiger zum Schadensausgleich verlangen kann (vgl. BGH v. 29.4.2004, BGHZ 154, 395, 397 f. = BGHReport 2003, 792 = MDR 2003, 1048 m.w.N.; BGHZ 162, 161, 165, jeweils m.w.N.).
[14] Allerdings hat der Geschädigte auch das in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitspostulat zu beachten. Dieses gebietet dem Geschädigten, den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in Bezug auf den beschädigten Bestandteil in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen (vgl. BGH v. 15.10.1991, BGHZ 115, 375, 378 f. = MDR 1992, 132; BGHZ 171, 287, 289 f., jeweils m.w.N.). Verursacht von mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, so ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt. Nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Er soll zwar vollen Ersatz verlangen, aber an dem Schadensfall nicht verdienen (vgl. BGH v. 29.4.2003, a.a.O., … ).
[15] (2) Diese schadensrechtlichen Grundsätze lassen sich nicht isoliert verwirklichen. Sie stehen vielmehr zueinander in einer Wechselbeziehung. Dementsprechend darf in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitspostulats das Integritätsinteresse des Geschädigten, das auf Grund der gesetzlich gebotenen Naturalrestitution Vorrang genießt, nicht verkürzt werden (vgl. BGH v. 29.4.2003, a.a.O. … ). In Ausnahmef...