AUB 2000 Nr. 3
Von einer zur Anspruchsminderung führenden Vorerkrankung ist auch dann auszugehen, wenn eine unfallbedingte Körperverletzung ohne zwischenzeitliche Beschwerden zur Verstärkung der gesundheitlichen Folgen eines späteren Unfalls beiträgt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 8.7.2009 – IV ZR 216/07
Der Kläger verlangt von der Beklagten eine restliche Invaliditätsentschädigung aus einer Unfallversicherung. Er unterhielt bei der Beklagten zunächst gem. Versicherungsschein vom 25.6.1999 eine private Unfallversicherung. Am 1.7.2000 erlitt er einen unfallbedingten Riss des vorderen Kreuzbandes seines linken Knies. Diese Verletzung führte damals nicht zu einer Invaliditätsfeststellung. Im August 2003 beantragte der Kläger den Abschluss einer neuen Unfallversicherung bei der Beklagten, die am 2.9.2003 einen neuen Versicherungsschein ausstellte. Am 20.4.2004 erlitt der Kläger einen weiteren Unfall, bei dem er erneut am linken Kniegelenk erheblich verletzt wurde. Die Beklagte zahlte dem Kläger für die Folgen dieses Unfalls eine Invaliditätsentschädigung und brachte den streitgegenständlichen Betrag von 3.150 EUR in Abzug, weil nach der Stellungnahme des behandelnden Arztes der frühere Kreuzbandriss zu 25 % an der Invalidität mitwirkte.
Aus den Gründen:
[6] “… II. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Revision im Beschlussverfahren nach § 552a ZPO S. 1 sind erfüllt.
[7] 1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.
[8] a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zu. Dafür genügt es nicht, dass eine Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen abhängt. Erforderlich ist weiter, dass deren Auslegung über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rspr. und Rechtslehre oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (Senat r+s 2004, 166 unter II 2b) und die Rechtssache damit eine Rechtsfrage im konkreten Fall als entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGHZ 154, 288, 291; 152, 182, 191).
[9] Das ist hier nicht der Fall. Es besteht kein Streit über die Beantwortung der vom BG für klärungsbedürftig gehaltenen Frage, ob frühere Unfälle auch dann anspruchsmindernd zu berücksichtigen sind, wenn sie während der Versicherungsdauer eingetreten sind und die Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen bereits verstrichen sind. Abweichende Stimmen in Literatur und Rspr. vermag weder das Berufungsurteil noch die Revisionsbegründung aufzuzeigen.
[10] b) Mit Blick darauf besteht auch kein Anlass, zur Fortbildung des Rechts gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO Leitsätze für die Auslegung der Nr. 3 S. 2 AUB 2000 aufzustellen, wenngleich eine höchst-richterliche Entscheidung zu der vorgenannten Frage noch nicht ergangen ist …
[12] 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das BG hat zutreffend die Beklagte für berechtigt gehalten, nach Nr. 3 S. 2 AUB 2000 den Prozentsatz des Invaliditätsgrades entsprechend dem Anteil der Vorschädigung durch den früheren Kreuzbandriss um 25 % zu mindern.
[13] a) Die Revision beanstandet ohne Erfolg, das BG sei ohne genauere Prüfung von einer Krankheit oder einem Gebrechen ausgegangen.
[14] aa) Eine Krankheit i.S.v. Nr. 3 S. 2 AUB 2000 – die mit § 8 AUB 1994 fast wörtlich übereinstimmt – liegt dann vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der ärztlicher Behandlung bedarf. Ein Gebrechen wird als dauernder abnormer Gesundheitszustand definiert, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt (Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 3 AUB 99/§ 8 AUB 88/94 Rn 2 m.w.N.; Kloth, Private Unfallversicherung, Kapitel J Rn 5 f.; Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8 AUB 94 Rn 4). Demgegenüber sind Zustände, die noch im Rahmen der medizinischen Norm liegen, selbst dann keine Gebrechen, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten (Knappmann, a.a.O.).
[15] bb) Erstmals in der Revisionsinstanz versucht der Kläger, dem im Jahre 2000 erlittenen Kreuzbandriss die Qualität einer mitwirkenden Vorschädigung abzusprechen. Selbst wenn der Kreuzbandriss nicht ständiger ärztlicher Behandlung bedurfte und dem Kläger keine weiteren Beschwerden verursachte, ist er als Gebrechen einzustufen, weil er nach der von den Vorinstanzen zu Grunde gelegten und von dem Kläger nicht angezweifelten Stellungnahme des behandelnden Arztes an der Instabilität und Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks mitgewirkt hat. Der frühere Kreuzbandriss hat demnach für das Kniegelenk nicht nur, wie die Revision meint, zu einer erhöhten Schadensanfälligkeit geführt. Trägt – wie hier – eine früher erlittene Körperverletzung auch ohne zwischenzeitliche Beschwerden zur Verstärkung der gesundheitlichen Folgen eines späteren Unfalls bei, so ist darin ein Gebrechen im genannten Sinne zu sehen. Davon ist...