BGB § 675 § 280
1. Die Pflicht eines Rechtsanwalts, seinen Mandanten über den Inhalt eines möglichen Vergleichs aufzuklären, dient auch dem Schutz der ohne den Vergleich bestehenden Rechtsposition des Mandanten.
2. Schließt der Mandant einen Vergleich, weil ihn sein Rechtsanwalt über dessen Inhalt unzureichend aufgeklärt hat, so kann sein Anspruch auf Schadensersatz nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Pflicht auf die Differenz zu der Vermögenslage beschränkt werden, die er – nicht aber die Gegenpartei – als Inhalt des Vergleichs akzeptiert hätte.
BGH, Urt. v. 15.1.2009 – IX ZR 166/07
Der 1941 geborene Beklagte war ab dem 1.10.1995 beim M (im Folgenden: Arbeitgeber) als Chefingenieur beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte den Arbeitsvertrag zum 30.4.1996. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Beklagten, der vom Kläger anwaltlich vertreten wurde, hatte Erfolg. Gegen zwei weitere zwischenzeitlich vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigungen ließ der Beklagte ebenfalls durch den Kläger Klage erheben. In einem anderen arbeitsgerichtlichen Verfahren machte der Kläger im Auftrag des Beklagten die seit dem 1.1.1999 vom Arbeitgeber einbehaltene Vergütung geltend. In diesem Verfahren schloss der Kläger für den Beklagten am 6.5.2002 – auch zur Erledigung des (zweiten) Kündigungsschutzprozesses – einen bis zum 27.5.2002 widerruflichen Vergleich. Dieser hatte zum Inhalt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2000 auf der Grundlage der vertragsgemäßen Bezüge abgerechnet, in den Jahren 2001 und 2002 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit Vergütung nach dem Altersteilzeitgesetz (AltTZG) geführt und zum 31.12.2002 beendet wurde. Der Vergleich wurde nicht widerrufen. In der Folgezeit stellte sich heraus, dass der Vergleich in zwei Punkten nicht den Vorstellungen des Beklagten entsprach. Zum einen war der Arbeitgeber entgegen der Annahme des Beklagten nach dem Vergleich nicht verpflichtet, die Vergütung für die Altersteilzeit entsprechend einem Tarifvertrag vom 27.4.2001 aufzustocken. Zum Zweiten musste es der Beklagte hinnehmen, dass ihm der Arbeitgeber auf der Grundlage eines bei ihm geltenden Versorgungstarifvertrags ab dem 1.1.2003 nur eine wegen vorzeitiger Inanspruchnahme um monatlich 321,34 EUR gekürzte Altersrente bezahlte.
Da der Beklagte verschiedene Rechnungen des Klägers nicht beglich, verklagte ihn der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von 7.351,97 EUR zuzüglich Zinsen. Der Beklagte hat Widerklage erhoben und Schadensersatz in Höhe von 163.273,43 EUR nebst Zinsen verlangt, insbesondere mit der Behauptung, der Kläger habe die ihm als Rechtsanwalt im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs vom 6.5.2002 obliegenden Pflichten verletzt. Er verlangt so gestellt zu werden, als wäre der Vergleich nicht geschlossen und das Arbeitsverhältnis bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres fortgesetzt worden, und hat deshalb zusätzlich beantragt festzustellen, dass der Kläger den infolge des Vergleichs anfallenden Rentenschaden sowie den Steuerschaden zu ersetzen hat, der aus der Nachzahlung des Betrags von 163.273,43 EUR im Vergleich zur monatlichen Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 1.1.2001 bis einschließlich 30.9.2006 erwächst.
Die Widerklage hatte beim LG keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Kläger auf die Widerklage verurteilt, an den Beklagten 14.460,30 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen. Den Feststellungsanträgen hat es stattgegeben mit der Einschränkung, dass ein Rentenschaden von maximal 321,34 EUR monatlich zu ersetzen sei und dass sich der Steuerschaden nach dem Vergleich der Steuerbelastung auf Grund der Nachzahlung von 14.460,30 EUR und derjenigen bei monatlicher Zahlung von 321,34 EUR von Januar 2003 bis September 2006 bemesse. Schadensersatzansprüche betreffend die Jahre 2001 und 2002 hat es als verjährt abgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nur insoweit zugelassen, als die auf eine Verletzung anwaltlicher Pflichten bei dem Zustandekommen des gerichtlichen Vergleichs vom 6.5.2002 gestützte Widerklage für die Zeit ab dem 1.1.2003 abgewiesen wurde.
Die Revision des Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
[3] “I. Die Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist wirksam. Die Zulassung ist innerhalb der Widerklage auf einen klar abgegrenzten Teilzeitraum eines einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt. Allein für diesen Teil des Streitgegenstands ist die Rechtsfrage von Bedeutung, ob die Höhe des Schadens normativ zu begrenzen ist. Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen des von der Revisionszulassung betroffenen und des übrigen Teils besteht nicht (vgl. BGH v. 4.6.2003, ZIP 2003, 1399, 1402; v. 25.10.2006, NJW 2007, 144; MüKo-ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 543 Rn 36 ff.).
[4] II. …
[5] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger sei zum Schadensersatz verpflichtet, weil er nicht erkannt habe, welche Ziele der Beklagte mit dem Vergleich angestrebt habe, und ihn dementsprechend nicht mit der gebotenen Deutlich...